2020: Rekordjahr für das Parlament
Mit der beschlossenen Nulllohnrunde für SpitzenpolitikerInnen ist das Jahr 2020 auch für das Parlament ins Finale gegangen. 68 Mal ist der Nationalrat heuer zusammengetreten, das ist so oft wie noch nie in der Zweiten Republik. Dabei haben die Abgeordneten 179 Gesetze beschlossen, 20 Staatsverträge genehmigt und 126 Entschließungen gefasst. Dazu kommen fünf Beharrungsbeschlüsse nach Einsprüchen des Bundesrats, 12 Aktuelle Stunden und Europastunden und 3 Fragestunden. Zudem weist die Statistik 29 Erste Lesungen, 10 Dringliche Anfragen und Anträge, 6 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen und Fristsetzungsanträgen sowie 12 Erklärungen von Regierungsmitgliedern, einschließlich der Regierungserklärung von Bundeskanzler Sebastian Kurz, aus. Zählt man die 229 Sitzungen von Ausschüssen, Unterausschüssen und des Ibiza-Untersuchungsausschusses hinzu, sind im heurigen Jahr deutlich mehr als 1.000 Sitzungsstunden zu verzeichnen.
Sitzungen am Sonntag
Auch wenn viele der 68 Nationalratssitzungen sogenannte Zuweisungssitzungen waren, also meist nur kurz gedauert haben, spiegelt die Rekordzahl doch die enorme Herausforderung wider, vor die die COVID-19-Pandemie das Parlament gestellt hat. Viele Sitzungen wurden kurzfristig einberufen und notwendige Gesetzesbeschlüsse im Eilverfahren, zum Teil übers Wochenende, gefasst. Vor allem in der ersten Phase der Krise waren umfangreiche Sammelnovellen an der Tageordnung, wobei das 3., 4. und 5. COVID-19-Gesetz mit zusammen 92 Artikeln - 85 Gesetzesänderungen und 7 neue Gesetze - an der Spitze der Pyramide stehen. Erstmals seit 1995 fand außerdem wieder eine Nationalratssitzung an einem Sonntag statt.
Dazu wurden heuer gleich zwei Budgets beschlossen, wobei den Schlussabstimmungen jeweils umfangreiche Vorberatungen - zum einen im Frühjahr, zum anderen im Herbst - vorausgegangen waren. Zuletzt war das im Jahr 2000 so gewesen und insgesamt nur viermal in der Zweiten Republik der Fall. Üblicher Weise werden nach Herbstwahlen im darauffolgenden Frühjahr sowohl das Budget für das laufende als auch für das nächste Jahr gemeinsam auf den Weg gebracht. Auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss sorgte mit insgesamt 27 Sitzungen für lange Parlamentstage.
96 der 179 Gesetzesbeschlüsse gehen entweder auf Initiativanträge von Abgeordneten oder auf Anträge von Ausschüssen zurück. Auch das ist ungewöhnlich und nicht zuletzt dem Zeitdruck geschuldet, mit dem viele Beschlüsse auf den Weg gebracht wurden. In einigen Fällen wurden Gesetzesanträge überhaupt erst im Plenum mit konkreten Inhalten befüllt. Angesichts der immer wieder geäußerten Kritik der Oppositionsparteien an fehlenden Begutachtungsverfahren und überhasteten Beschlüssen ist eine Zahl überraschend: 43% der Gesetzesbeschlüsse - und damit deutlich mehr als in den vergangenen Jahren - wurden heuer einstimmig gefasst. Auf der anderen Seite gab es bereits fünf Misstrauensanträge gegen die türkis-grüne Regierung bzw. einzelne Regierungsmitglieder, die noch nicht einmal ein Jahr im Amt ist.
Jahr der Rekorde
Dass der Zeitdruck und das hohe Arbeitspensum zu Fehlern führen, davon zeugen nicht nur die Pannen beim Budget 2020 und beim Bundesfinanzrahmengesetz 2021. Auch andere Gesetze mussten nachgebessert werden. Zuletzt wurde das erwähnte zweite Sozialrechts-Änderungsgesetz 2020 wegen eines Formalfehlers vom Bundesrat zur Korrektur an den Nationalrat zurückgeschickt.
Einen Rekordwert wird im ersten Jahr der türkis-grünen Regierungskoalition auch die Zahl der schriftlichen Anfragen erreichen. Allein bis Montagabend hatten die Abgeordneten 4.313 Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung eingebracht. Dazu kommen 25 Anfragen an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, vier Anfragen an Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker und zwei Anfragen an Ausschussvorsitzende. Es ist nach 2015 erst das zweite Mal, dass innerhalb eines Jahres die 4000er-Marke geknackt wurde.
Gestartet worden war das Jahr im Parlament mit der Präsentation der neuen Regierung: Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler stellten den Abgeordneten am 10. Jänner die 13 MinisterInnen und 2 StaatssekretärInnen sowie das Regierungsprogramm vor.
Kommentare