1920/2020: Van der Bellen entschuldigt sich bei Kärntner Slowenen

++ HANDOUT ++ KÄRNTEN FEIERT 100 JAHRE VOLKSABSTIMMUNG:  VAN DER BELLEN
Der Bundespräsident hat sich zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung bei der slowenischen Minderheit "für das erlittene Unrecht" in der Folge entschuldigt. Lang anhaltender Applaus auch für Rede von Slowenen-Vertreter Jug.

Im Wappensaal des Kärntner Landhauses fand heute der Festakt zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung statt. Im Beisein von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem slowenischen Präsidenten Borut Pahor riefen die ersten Festredner zur Versöhnung auf. "Heute befinden wir uns in einer Situation, in der die großen Konflikte überwunden sind und zunehmend neue Perspektiven eingenommen werden", sagte Manuel Jug als Vertreter der Kärntner Slowenen.

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Der Vorsitzende des Zentralverbandes slowenischer Organisationen dankte insbesondere dem Team der aktuellen SPÖ-ÖVP-Landesregierung, "das sich vorbildlich für die Belange der slowenischen Volksgruppe einsetzt und die Zweisprachigkeit, beispielsweise im Rahmen von Carinthija2020, auch vorlebt".

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Sloweniens Präsident Borut Pahor und Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Zugleich positionierte er sich klar gegen revisionistische Tendenzen inbezug auf die Volksabstimmung. "Es war dies ein historischer Akt der Selbstbestimmung, der anerkannt werden muss und nicht in Zweifel gestellt werden darf", betonte Jug.

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"Wir brauchen einfach Liebe"

"Wir brauchen Versöhnung, Empathie und auch das Aufeinander-Zugehen. Wir brauchen einfach Liebe", sagte Jug. "Machen wir ein Duett nicht nur beim Singen, sondern überall dort, wo wir, Kärntnerinnen und Kärntner, zusammenleben sowie mutig und optimistisch Zukunft gestalten", sagte der 23-Jährige unter lang anhaltendem Applaus der 130 Festgäste.

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Im slowenischsprachigen Teil seiner Rede verwies Jug auf die "noch offenen Fragen" und führte dabei auch den notorischen Artikel 7 des Staatsvertrags auf. "Die Herausforderung, die in der Zukunft alle Kärntnerinnen und Kärntner erwartet ist, dass wir die slowenische Sprache und Kultur erhalten - positiv und optimistisch", sagte er. Früher "zu sehr von ethnischen Konflikten geteilt", seien Mehrheitsbevölkerung und Minderheit heute mit gemeinsamen Herausforderungen konfrontiert, verwies er auf die Digitalisierung und Globalisierung.

Keine Rede der Landesverbände

Anders als in früheren Jahren gab es keine Rede eines Vertreters der Kärntner Heimatverbände. Vielmehr sprachen Landesrat Martin Gruber (ÖVP), Landtagspräsident Reinhart Rohr und die Klagenfurter Bürgermeisterin Marialuise Mathiaschitz (beide SPÖ). Sie alle lobten die Fortschritte beim Zusammenleben der beiden Volksgruppen. In weiterer Folge waren noch Grußworte von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und der für Volksgruppen zuständigen Ministerin im Kanzleramt, Susanne Raab (ÖVP) geplant. Den Höhepunkt sollten die Festreden von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und den beiden Staatsoberhäuptern bilden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung bei der slowenischen Minderheit "für das erlittene Unrecht" entschuldigt. Beim Festakt im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses dankte Van der Bellen am Samstag zugleich seinem slowenischen Amtskollegen Borut Pahor und dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) für den "Mut" zur gemeinsamen Feier. "Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung", sagte er.

Van der Bellen: "Vieles ist erst sehr spät erfolgt"

Van der Bellen war der letzte Redner beim Festakt, an dem neben Pahor und Kaiser auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und der für Volksgruppen zuständigen Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) teilnahmen. Der Bundespräsident zitierte Artikel 8 der Bundesverfassung, der Österreich die Pflicht zum Schutz seiner Volksgruppen auferlegt. "Haben wir uns immer daran gehalten? Haben wir unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt gelebt und deren Erhaltung immer entschlossen gesichert und gefördert? Leider muss ich zugeben: Nein, das war nicht immer der Fall. Vieles ist erst nach langem Drängen, spät, sehr spät erfolgt", sagte er in offenkundiger Anspielung etwa auf den Ortstafel-Konflikt.

"Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen", sagte der Bundespräsident unter dem Applaus der rund 130 Teilnehmer des Festakts. Er wiederholte diese Entschuldigung dann auch in slowenischer Sprache. "Kot zvezni predsednik bi se Vam želel iskreno opravičiti za krivice in zamude pri uresničitvi vaših ustavnih pravic." "Kärnten ist ein ganz besonderes Land. Es verbindet Österreich und Slowenien auf besondere Weise", hob Van der Bellen den zweisprachigen Charakter des Bundeslandes hervor. "Die Kärntnerinnen und Kärntner haben gemeinsam auch vieles erreicht. Manch lange offene Wunde ist weitgehend verheilt", sagte er. Es gebe zweisprachige Ortstafeln, Medien und Chöre, zweisprachige Kindergärten, Schulen und Gerichte, zahlreiche zweisprachige Vereine und Projekte. "Und seit einigen Tagen wissen wir: Es gibt in Zukunft auch mehr finanzielle Unterstützung vom Bund dafür", sagte er mit Blick auf die am Mittwoch beschlossene Verdoppelung der Volksgruppenförderung. "Trotzdem ist noch nicht alles getan. Volksgruppenpolitik muss immer weiterentwickelt werden. In jedem Land der Welt. Sie muss den aktuellen Lebensbedingungen und Bedürfnissen angepasst werden."

"Selbstverständlicher Teil Österreichs"

Van der Bellen betonte, dass die slowenische Volksgruppe "ein selbstverständlicher Teil Kärntens und Österreichs" sei. Er erinnerte daran, dass bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 "auch sehr viele Kärntnerinnen und Kärntner der slowenischen Volksgruppe für die Einheit Kärntens und die Zugehörigkeit zu Österreich gestimmt" hätten. "Ohne sie, ohne diese Stimmen, wäre die Volksabstimmung anders ausgegangen."

"Als Tiroler, die Geschichte Südtirols vor Augen, sind Volksgruppenfragen für mich stets nicht nur eine politische Frage, sondern eine Herzensangelegenheit", betonte der Bundespräsident. Er freue sich "besonders", den slowenischen Staatspräsidenten Pahor zum Festakt begrüßen zu dürfen, "Dich, lieber Borut". "Zum ersten Mal begehen wir diesen Tag gemeinsam. Ich weiß, das braucht Mut. Auf beiden Seiten. Und darum bin ich auch Dir, lieber Herr Landeshauptmann, sehr dankbar", sagte er an Landeshauptmann Kaiser gerichtet.

Der gemeinsame Festakt sei "über unser gutes persönliches Verhältnis hinaus" auch "ein Beweis für die engen nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien", sagte Van der Bellen. "Ein Beweis der guten Gesprächsbasis und des gegenseitigen Verständnisses. Und es ist ein Zeichen, dass Europa wirkt", verwies er auf die gemeinsame Mitgliedschaft der beiden Länder in der Europäischen Union und im Schengen-Raum. "Die Abschaffung der Grenzkontrollen machen die Grenze für uns alle wenige fühlbar. Dank Europa", so Van der Bellen, der auch die Bedeutung der Minderheiten für Europa hervorhob. "An den bilingualen Schulen in Kärnten lernen österreichische Kinder der slowenischen Volksgruppe mit ihren deutschsprachigen Nachbarskindern und mit Kindern aus Slowenien. Gemeinsam! Sie lernen voneinander. Sie lernen miteinander. Das macht mich zuversichtlich! Durch sie wächst Europa enger zusammen. So stelle ich mir unsere gemeinsame europäische Zukunft vor", sagte er.

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