Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"
Die neue SP-VP-Regierung hat ihre ersten 100 Tage hinter sich – eine erste Bilanz.

Zu Beginn gelobten sie einen neuen Stil – bemerkbar macht sich dieser bislang aber nur dadurch, dass die beiden Parteichefs immer öfter dem Pressefoyer fernbleiben: Die SPÖ-ÖVP-Regierung ist am 26. März 100 Tage alt und hat seit Amtsantritt mit alten und neuen Skandalen zu tun. Für demonstrative Zweisamkeit bleibt da wenig Platz.

Versackten die Regierungsverhandlungen fast im Budgetloch, ging es danach Schlag auf Schlag: Hypo, Burgtheater, Schülerdaten - zu tun gab es genug. So manches Wahlversprechen blieb da auf der Strecke. Und die nächste Wahl steht vor der Tür. Keine neuen Steuern etwa hatte ÖVP-Obmann Michael Spindelegger im Wahlkampf versprochen, eine Steuerreform hatte sich SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann auf die Fahnen geheftet. Als erstes wesentliches Gesetzesvorhaben präsentierte die Regierung dann ein Steuerpaket, das unter anderem Raucher, Autofahrer und Sekttrinker zur Kasse bat. Immerhin überraschte das zu diesem Zeitpunkt kaum mehr jemanden, hatte sich doch im Zuge der Regierungsbildung ein angeblich 40 Milliarden Euro schweres "Budgetloch" aufgetan, das bis zur Koalitionseinigung auf 18 Milliarden "schrumpfte".

Zitate: 100 Tage im Paarlauf

Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Austrian Finance Minister Spindelegger waits for t
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

ARBEITSKLAUSUR DES ÖVP-REGIERUNGSTEAMS: MITTERLEHN
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Regierung, Amtsübergabe, Maria Fekter, Michael Spi…
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Morgenrot in Hannover
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Gefangener in JVA
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

Zuckerrübenernte
Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"

A couple enjoy the sunset on an embankment at the

Klaffendes Hypo-Loch

Nur zwei der Zahlen, die die Neuauflage der nicht mehr besonders "großen" Koalition prägten. Dann waren da noch die bis zu 19 Milliarden Euro, mit denen sich die Abwicklung der Hypo Alpe Adria Bank zu Buche schlagen könnten. Oder werden es doch "nur" vier Milliarden? Die Hypo-Krise erwischte die neue Regierung voll, und erst vergangene Woche wurde die Entscheidung für eine Abbaugesellschaft getroffen.

Wie die Regierungsspitze mit der Causa umging, brachte ihr harsche Kritik ein. "Kommunikationsdesaster" ist noch einer der freundlicheren Begriffe, die heimischen Kommentatoren einfielen. Zu spät, zu wenig, zu wenig deutlich hätten sich Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler und Neo-Finanzminister Spindelegger geäußert.

Österreich-Tour

Von Budgetloch, Hypo und dem "neuen Stil"
Regierung, Koalition 2013
Die beiden waren zu diesem Zeitpunkt schlechte Presse aber wohl gewohnt: Schon zur Regierungsangelobung am 13. Dezember 2013 hatte es Negativ-Schlagzeilen gehagelt. Man vermisste Reformen, den "großen Wurf" im Regierungsprogramm. Faymann und Spindelegger dagegen propagierten einen "neuen Stil" des Regierens, mit dem unter anderem das Novum begründet wurde, dass im Pressefoyer des Ministerrats mitunter andere Minister an die Stelle der Chefs treten. Den Frühling hindurch gehen rot-schwarze Ministerpaare auf Österreich-Tour.

So sie denn die Zeit dafür finden. Denn auch abseits der Budget-Front offenbarten sich einige nicht vorhersehbare Großbaustellen. Die neue Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wurde mit einem Schülerdaten-Leck konfrontiert, Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) entließ erstmals in der Geschichte des Burgtheaters den dortigen Direktor.

Angst vor Denkzettel

Die Performance der Regierung, zu der vor allem die ÖVP, wenn auch nicht ohne Turbulenzen, einige neue Gesichter beisteuerte, wird von all diesen Turbulenzen überschattet. Denn einiges konnte man tatsächlich schon abhaken - auch, wenn es sich bei Punkten wie Lehrerdienstrecht, Linzer Medizin-Fakultät oder Beamtengehältern um Themen handelt, die man aus der letzten Regierungsperiode mitgenommen hatte (siehe dazu unten). Einiges wurden auf den Weg gebracht, wie die Erhöhung der Familienbeihilfe, der Handwerkerbonus oder die Schließung von über 100 Polizeidienststellen. In Sachen Pensionen wird demnächst ein Vorschlag fürs Monitoring vorgelegt, im Justizbereich stehen mehrere Reformvorhaben auf der Agenda, auch eine Senkung der Lohnnebenkosten und ein Arbeitsmarktpaket wurden angekündigt.

In den Umfragen wird solches nicht honoriert. Aktuell würde die FPÖ derzeit bei Nationalratswahlen auf dem ersten Platz landen, fanden kürzlich gleich mehrere Meinungsforschungsinstitute heraus. Und als nächstes hat die Koalition die EU-Wahl durchzustehen: Die gilt traditionell als "Denkzettelwahl".

Das eine oder andere auf ihrer To-Do-Liste kann die Regierung nach 100 Tagen schon abhaken: So wurde bereits das Steuerpaket beschlossen und eine Entscheidung zur Abwicklung der staatlichen Problembank Hypo Alpe Adria getroffen. Weitere Vorhaben wie das Arbeitsmarktpaket oder die Erhöhung der Familienbeihilfe wurden auf den Weg gebracht.

Bereits in Kraft ist das Steuerpaket, mit dem die Regierung das strukturelle Nulldefizit 2016 sichern will. Die höheren Belastungen treffen Unternehmer, Autofahrer, Raucher und Sekttrinker. Auch ein gesetzliches Budgetprovisorium, das im Wesentlichen die Budgetzahlen des Vorjahres fortschreibt, hat der Nationalrat abgesegnet.

Auf die erste Budgetrede von Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) muss man noch ein bisschen warten, die wird er Ende April halten. Diese wird wohl von der Hypo überschattet sein, immerhin steigt das Maastricht-Defizit alleine wegen der Hypo heuer um bis zu 1,2 Prozentpunkte. Wie es mit der staatlichen Problembank weiter geht, hat die Regierung aber schon entschieden: Die SEE-Töchter sollen so rasch wie möglich verkauft werden, der Rest der Hypo soll in eine deregulierte, privatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft überführt und wertmaximierend in Einzelteilen abgewickelt werden.

Im Nationalrat wurde jedenfalls in den ersten Monaten der neuen Regierung ein bunter Strauß an Gesetzen beschlossen. Nur einen Tag nach der Angelobung besiegelte der Nationalrat - letztlich ohne Zustimmung der Gewerkschaft - das noch unter der vorigen Regierung verhandelte neue Lehrerdienstrecht, das für künftige Pädagogen eine flachere Einkommenskurve und für viele Lehrer eine höhere Lehrverpflichtung bringt. Im Hochschulbereich erledigt hat die Regierung bereits die Linzer Medizin-Fakultät sowie das Promotionsrecht an der Universität für Weiterbildung Krems.

Rechtzeitig vor der EU-Wahl im Mai wurde außerdem die Vorzugsstimmen-Hürde gesenkt: Statt sieben Prozent der Parteistimmen sind nur noch fünf Prozent notwendig, um auf der Liste nach vorne zu rücken. Abgesegnet wurde auch die Gehaltserhöhung für die Beamten für 2014, ebenfalls im Nationalrat beschlossen wurde eine Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes. In Reaktion auf Entscheide des Verwaltungsgerichtshofes wurde außerdem klargestellt, dass Lokalgästen das kurze Durchqueren eines Raucherraums am Weg zur Toilette zumutbar ist.

Im militärischen Bereich wurde entschieden, dass Österreich bis zu 130 zusätzliche Soldaten zur NATO-geführten KFOR-Truppe in den Kosovo sowie rund 100 Soldaten zusätzlich nach Bosnien entsendet. Abgehakt ist auch die Beteiligung an der von der EU geführten Militärmission in der Zentralafrikanischen Republik mit bis zu neun Angehörigen des Bundesheeres als Stabsmitglieder, die der Hauptausschuss genehmigt hat.

In Kraft getreten ist außerdem schon der Kriterien-Katalog für sogenannte Promi-Einbürgerungen, mit dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen außerordentlicher Leistungen nachvollziehbarer werden soll.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat indes bereits den versprochenen Weisenrat zum Weisungsrecht, der in Fällen der Befangenheit des Ministers in die Entscheidung einbezogen wird, eingerichtet. Auch die Expertengruppe zur Reform des Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwälten ist schon zusammengetroffen.

Was noch kommt

Einige Vorhaben sind außerdem bereits auf dem Weg zur Umsetzung und sollen kommende Woche im Nationalrat beschlossen werden, etwa das 550 Mio. Euro schwere "Arbeitsmarktpaket" mit Maßnahmen für die Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser sowie einer ersten Senkung der Lohnnebenkosten.

Plenumsreif sind der "Handwerkerbonus", der den Einsatz legaler Handwerker fördern soll, sowie die im Gegenzug geplante Gratiszahnspange für Kinder. Ebenfalls auf der Tagesordnung steht weiters die Streichung der Bestimmung, dass sich die Grenzen der Gerichts- und der politischen Bezirke nicht schneiden dürfen, mit dem Ziel die Bezirksgerichts-Reform zu erleichtern. Abgesegnet wird ein Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen für den linken Fahrstreifen auf drei- und vierspurigen Autobahnen. Noch offen ist, ob die Änderung des ORF-Gesetzes im Hinblick auf die Bestellung von Publikums- und Stiftungsrat im kommenden Plenum beschlossen wird.

Abgesehen davon sind auch andere Vorhaben der Regierung bereits auf Schiene. Für die Umstrukturierung der Polizeidienststellen etwa hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ein Konzept mit einer Liste der betroffenen Polizeiposten vorgelegt. Im Werden ist auch die dreistufige Erhöhung der Familienbeihilfe ab Juli, die immerhin schon über die Phase der Begutachtung hinaus ist.

Relativ bald etwas tun dürfte sich bei den Sonderpensionen. Das Vorhaben mit dem Ziel, "Luxuspensionen" in staatsnahen Betrieben einzudämmen, soll noch im März in Begutachtung geschickt werden - eine Einigung mit der Opposition vorausgesetzt. Auch das "Pensionsmonitoring", mit dem geprüft werden soll, ob die Regierung ihre Ziele zum höheren Antrittsalter und einer Steigerung der Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen erreicht, soll nächste oder übernächste Woche in Begutachtung gehen. Auch der Begutachtungsentwurf zur Lockerung des Amtsgeheimnis soll kommende Woche ausgeschickt werden.

Auch einige konkrete Ankündigungen gibt es, darunter etwa Enquetekommissionen zur Demokratiereform sowie zum Umgang mit der Sterbehilfe, deren ersten Sitzungen vor dem Sommer starten sollen. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) sucht derzeit eine Lösung im Streit um eine Novellierung des Urheberrechts, wobei er schon kundgetan hat, eine Festplattenabgabe für die "realistischste Variante" zu halten.

Tatendrang will die Regierung außerdem beim populären Thema Bienen signalisieren: So wurde erst diese Woche ein Forschungsprojekt angekündigt, das die Ursachen des Bienensterbens klären soll. Weiters ist laut Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) eine Ablehnung der Zulassung des Pflanzenschutzmittels Goldor Bait mit dem Pestizidwirkstoff Fipronil vom Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) in Vorbereitung.

Kommentare