Honecker: Memoiren seines Butlers

Honecker: Memoiren seines Butlers
Das ehemalige "Mainzelmännchen" des DDR-Staats- und Parteichefs gewährt Einblicke ins wahre Leben der kommunistischen Führer.

Ich sollte nicht gesehen und gehört werden, als dienstbarer Geist unbemerkt bleiben, eine Art sozialistisches Mainzelmännchen." Das schreibt der ehemalige Personenschützer und Butler von Erich Honecker über seine zwölf Jahre an der Seite des DDR-Staats- und Parteichefs. In seinem Buch "Honecker privat" gibt der 68-jährige Lothar Herzog Einblicke in das abgehobene Leben der kommunistischen Spitzenfunktionäre – auch wenn er deren Verhalten zu rechtfertigen versucht.

1972 wurde Herzog vom Ministerium für Staatssicherheit dem aufstrebenden Erich Honecker zugeteilt. Bis 1984 begleitete er ihn auf etwa 400 Auslandsreisen, bekochte und bediente ihn. Ein persönliches Verhältnis kam dennoch nicht zustande: "Ich gehörte zum Mobiliar. ,Morgen" oder ,Tach", dann setzte er sich und ich trug auf", erinnert sich Herzog. "Ich hatte Weisung, nur zu antworten, wenn ich gefragt werde. Und da er mich nie fragte, gab es auch keinen Anlass, dass wir uns unterhielten."

Anfangs habe sich Honecker noch um ein normales Leben bemüht, "doch im Lauf der Jahre verlor sich die Bescheidenheit und das Gift der Gewöhnung begann zu wirken (...) Bei der Erfüllung der besonderen Wünsche und Bedürfnisse der Repräsentanten gab es keinerlei Beschränkungen in materieller und finanzieller Hinsicht." So warteten in Wandlitz, dem abgeschotteten Wohnsitz des obersten SED-Führungszirkels, stets mehrere Fahrzeuge auf eine Order von Honecker & Co. Als es eine Beschwerden über den lauten Dienst-Wartburg gab, wurde prompt ein VW angeschafft.

Beim Essen hätten die Politbüro-Mitglieder gerülpst, geschlürft, mit vollem Mund gesprochen, ihre Tischmanieren seien "verbesserungsbedürftig gewesen", so der kritische Befund des Butlers.

Disziplin & Zitrone

Im Plauderton berichtet Herzog über Honeckers Vorlieben: Jeden Tag vor dem Frühstück trank er den Saft einer Zitrone, um sich vor Erkältungen zu schützen, und blieb dabei "kontrolliert bis in die Haarspitze". Honecker liebte billiges Dosenbier aus Dortmund, Kassler, Bouletten und Bratwurst. Der Staatschef sei stets um seine Gesundheit besorgt gewesen und habe sich nach Geborgenheit gesehnt. Dienstreisen hielt er deshalb möglichst kurz: "Die Fremde und Fremde verunsicherten ihn." Im Urlaub auf der Insel Vilm bei Rügen ging er gerne nackt baden, wollte aber nicht gesehen werden.

Das Verhältnis zu seiner Frau Margot, für die stets genügend HB-Zigaretten im Haus sein mussten, sei distanziert gewesen: "Ein turtelndes Liebespaar waren sie nicht", erinnert sich Herzog. Erst Enkelsohn Roberto habe Honecker menschlich etwas milder gemacht.

Herzog schildert auch einen Besuch in Wien im November 1980, den ersten in einem westlichen Land: "Das war ein Kulturschock (...) Es roch in den Gassen vor jedem Geschäft anders, die Auslagen quollen über, es war alles so bunt und lebendig. Das war eine andere Welt."

1984 wurde Herzog schlagartig abkommandiert. Wie er herausfand, hatte seine Tochter von zu Hause aus mit einem Freund im Westen telefoniert, das war der Staatssicherheit verdächtig. Seinen Chef, der am 25. August 100 Jahre alt geworden wäre, sah Herzog nie wieder. Während er als Kellner in Pension ging, starb Honecker 1994 im Exil in Santiago de Chile.

BUCHTIPP: "Honecker privat - Ein Personenschützer berichtet" von Lothar Herzog. Das Neue Berlin, Eulenspiegel-Verlag. 192 Seiten, 12,95 €

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare