Heimskandal: Ex-Direktorin spricht von Lügen

Heimskandal: Ex-Direktorin spricht von Lügen
Zwangsarbeit, Ver­gewaltigung, rigorose Strafen: Die ehe­malige Direktorin des Heimes St. Martin spricht von Lügen.

Der KURIER berichtet seit bald zwei Wochen über die untragbaren Zustände, die im Kinderheim St. Martin in Schwaz in Tirol geherrscht haben sollen: Grausame Erziehungsmethoden, die an Folter erinnern, unbezahlte Zwangsarbeit und Duldung von Vergewaltigungenwerden den Verantwort­lichen vorgeworfen.

Eine Frau, die viele Fragen im Zusammenhang mit dem Erziehungsheim St. Martin beantworten könnte, lebt jetzt am Stadtrand von Wien. Hertha Tussetschläger, 85, war jahrzehntelang Direktorin des völlig in Verruf geratenen Anstalt für Mädchen.

Dem KURIER gegenüber weist sie alle Anschuldigungen zurück: Es sei niemand vergewaltigt worden. Man habe bloß versucht, den Mädchen das Leben zu erleichtern. Die Vorwürfe seien allesamt erfunden.

KURIER: Sie waren Heim­leiterin in St. Martin. Was sagen Sie zu den jüngsten Vorwürfen?

Hertha Tussetschläger: Ich habe die Artikel nicht gelesen, aber meine Tochter bringt mir die Zeitung immer mit. Ich will das alles aber nicht lesen.

Es wird dem Heim, also der Heimleitung und damit Ihnen, vorgeworfen, mög­licherweise Geld, das Mädchen in Firmen verdient haben, abgezweigt zu haben.

Meine Tochter ist Juristin und hat mir dringend davon abgeraten, mit irgend­jemandem über das Thema zu reden. Wenn, dann nur mit juristischem Beistand.

Ehemalige Heimkinder aus St. Martin berichten über Dunkelhaft und andere Strafmaßnahmen.

Gegen solche Vorwürfe kann man ja nichts machen. Schauen Sie, ich bin jetzt seit über 30 Jahren in Pension. Und jetzt kommen die Vorwürfe. Ich kann mich dagegen ja nicht wehren. Die Tiroler Landes­regierung hat ja alle Unter­lagen. Die muss das ja alles aufliegen haben. Die können alles klären. (Anmerkung der Redaktion: Die Zöglingsakten aus St. Martin fehlen, wie die der meisten Heime des Landes Tirol, vollständig.)

Bundesheer-Soldaten sollen in St. Martin Mädchen vergewaltigt haben.

Ich bitt’ Sie! Das sind solche G’schichtln, die so irrsinnig sind ... Es wundert mich, dass eine Zeitung das schreibt und nicht prüft.

Das haben wir geprüft. Deshalb frage ich jetzt Sie.

Ich bin 85 Jahre und nicht daran interessiert, mich über solche Sachen aufzu­regen. Darum lese ich die Berichte auch nicht.

Nochmal: Geld soll abgezweigt worden sein.

Das stimmt alles nicht. Alle Dinge, die man gemacht hat, um den Kindern, den Mädchen, das Leben zu erleichtern, werden einem jetzt vorgeworfen. Wir haben sie rausgehen lassen ... um draußen zu arbeiten. Hätte man sie drei Jahre eingesperrt und wirklich misshandelt, müsste ich mich jetzt nicht ärgern.

Das heißt, alle Zeugen, Wissenschaftler, Psychologen und Juristen, die sich mit St. Martin befassen und über furchtbare Dinge berichten, lügen?

Es ist nicht schön, was sich da jetzt abspielt. Ich bedaure wirklich, dass eine Zeitung wie der KURIER solche Geschichten schreibt.

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