Haiti: Kampf um ein bisschen Normalität

Haiti: Kampf um ein bisschen Normalität
Zwei Jahre nach dem Erdbeben lebt noch immer eine halbe Million Menschen in Zelt-Unterkünften. Ein KURIER-Lokalaugenschein

Die Reste der Kathedrale von Port-au-Prince ragen seit zwei Jahren unverändert in den Himmel. Ebenso unverändert ist die Situation von Pierre Chalma. Er gehört zu jenen 500.000 Menschen, die noch immer unter den Planen in der Zeltstadt hausen, die um die Kathedrale gewachsen ist. In den 34 Sekunden, die das Beben in Haiti am 12. Jänner 2010 dauerte, verlor Pierre Chalma sein Haus, seine Frau, sein Bein. Nur seinen kleinen Sohn nicht. Er lebt und blickt nun in eine Zukunft in einem Land, dessen Probleme nicht erst das Beben gebracht hat. 220.000 Menschen wurden damals unter den Trümmern begraben, eineinhalb Millionen Haitianer sind obdachlos.

Insgesamt geht der Wiederaufbau schleppend voran. „Auch weil es in Haiti keine oder nur sehr wenige staatliche Strukturen gibt“, sagt Martha Wirtenberger vom Roten Kreuz. „Aber es gibt auch Lichtblicke. Etwa für Antoine Beauvoirs. Er sitzt vor seiner hölzernen Hütte, die in einer Tischlerei des Roten Kreuzes gefertigt wurde. So konnte er seine Notunterkunft verlassen. „Gesundheit, meine Familie und einen Platz zum Leben“ zählt er auf. „Ich habe alles, was ich mir wünsche.“

Ein weiterer Ort der Hoffnung ist die Cholera-Klinik der Malteser in Léogâne. Nach Angaben der Regierung vom Dezember sind mehr als eine halbe Million Menschen mit der Durchfallerkrankung infiziert, täglich kämen 200 Neuinfektionen hinzu, sagt der Vizechef der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation Jon Kim Andrus. In Léogâne wird geholfen.

Rund 80 Prozent der gebildeten Haitianer haben spätestens nach dem Beben ihr Land verlassen. Ausbildung ist ein rares Gut, das auch die Kleinsten schon zu schätzen wissen – neben den geregelten Mahlzeiten, die es in den Schulen gibt.

„Zwei Welten“

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Wenn sich das schmiedeeiserne Tor zur Schule des Salesianer-Ordens schließt, bleibt das Chaos von Port-au-Prince für die Dauer des Unterrichts ausgesperrt. „Es sind zwei verschiedene Welten“, beschreibt die 14-jährige Johanne Mercier, die in einer blau-weißen Uniform steckt und Businesswoman werden will, wie sie sagt. Hier in der Schule erlaubt sie sich zu träumen. Etwas, was ihr draußen schwerfällt.

Die Hauptstadt Haitis, die sich vor den Schulmauern auftut, hat sich noch immer nicht von dem Beben erholt. Weil die Sicherheitslage in Port-au-Prince immer noch prekär ist, will der Orden eine neue Schule weiter außerhalb neu aufbauen – mit österreichischer Hilfe. „Nachbar in Not“ hat nach dem Beben 14,6 Millionen Euro für Haiti gesammelt. Ein Teil davon fließt in die neue Schule, die 2013 fertig sein soll. Auch die Kathedrale, vor der Pierre Chalma jeden Tag für seinen Sohn bettelt, soll wieder aufgebaut werden.

„Nachbar in Not“: Österreicher helfen

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Zwischenbilanz Die Österreicher haben insgesamt 14,6 Mio. Euro für die Haiti-Hilfe von „Nachbar in Not“ gespendet. Davon gingen 3,1 Mio. in die Not- bzw. Soforthilfe, der Rest wird für mittel- bzw. langfristige Hilfe verwendet (Wiederaufbau von Schulen, Gesundheitszentren, Brunnen etc).

Organisationen Neben den Stiftern Caritas und Rotem Kreuz sind Hilfswerk, Volkshilfe, Diakonie, Malteser-Hospitaldienst, Arbeiter-Samariter-Bund und Care Kooperationspartner.

Spenden „Nachbar in Not“, PSK: 90,150.300, BLZ: 60.000, Kw.: Erdbeben Haiti

 

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