Guantanamo als "Symbol der Rechtlosigkeit"

Ein Jahrzehnt ist das Gefangenenlager in Betrieb, ein katastrophales Jahrzehnt, sagt Manfred Nowak im Interview.

Zehn Jahre ist es her, dass die ersten Gefangenen nach Guantanamo gebracht wurden – ohne Anklage, auf den bloßen Verdacht hin, mit El Kaida kooperiert zu haben. Und vor allem: jenseits internationalen Rechts. Der Begriff „Feindlicher Kombattant“ rückte an die Stelle des Wortes „Kriegsgefangener“. Manfred Nowak wurde 2004 von der UN-Menschenrechtskommission zum Sonderberichterstatter über Folter ernannt, eine Funktion, die er bis 2010 innehatte.

KURIER: Wie hat sich Guantanamo auf die Menschenrechtslage ausgewirkt?
Manfred Nowak: Guantanamo ist zum Symbol der Rechtlosigkeit der Bush-Regierung geworden, weil weder amerikanisches noch internationales Recht angewandt wurde. Menschen wurden ohne Anklage oder zum Teil auch ohne weitere Untersuchung festgenommen und inhaftiert. Wir waren die Ersten, die öffentlich die Schließung des Lagers gefordert haben. Und es hat sich durchaus etwas verändert – schon unter Bush. Und unter Obama gibt es zumindest keine Hinweise auf Folter mehr. Der rechtlose Zustand aber, der ist geblieben. Eine Lösung der Problematik ist ausgeblieben.

Welche Auswege aus dieser Situation sehen Sie?
Das Ziel kann nur bleiben, Guantanamo zu schließen. Wie das gehen soll? Es ist nicht leicht. Obama wurden reihenweise Prügel in den Weg gelegt. Er hat keine Unterstützung des Kongresses – und nur schwache Unterstützung aus Europa. Ich glaube nicht, dass er in seiner ersten Amtszeit noch einmal probieren wird, das Lager zu schließen. Und es ist fraglich, welche Priorität es in einer möglichen zweiten Amtszeit haben wird.

Kommt Europas Haltung zu Guantanamo und die Weigerung, Gefangene aufzunehmen, einer stillschweigenden Duldung gleich?
Europas Standpunkt war immer klar: Wir wollten Guantanamo nicht, warum sollten wir die Suppe auslöffeln. Der Amtsantritt Obamas kam in der Sache gewissermaßen einem Neustart gleich. Aber die europäische Haltung war sehr uneinheitlich. Es gab keine klare Unterstützung für die Schließung durch Aufnahme einer größeren Zahl von Ex-Guantanamo-Häftlingen in Europa. Das war politisch sehr unweise.

Wie hat sich die Rechtlosigkeit in diesem Krieg gegen den Terror auf die Reputation des Westens ausgewirkt?
Guantanamo war sicher nicht das schlimmste Gefängnis. Aber es wurde zum Symbol. Und es hat als solches ganz negativen Einfluss genommen – weil sich viele Staaten in ihrer Vorgehensweise legitimiert sahen.

Was bedeutet das global?
Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war, was die Menschenrechte angeht, katastrophal. Es war erstmals, dass eine Regierung Folter zugibt und das absolute Verbot von Folter infrage gestellt hat. Folter wurde salonfähig gemacht. Ihre Grausamkeit wurde systematisch verniedlicht.

Wie würden Sie jemandem entgegnen, der Gewaltanwendung zur Informationsgewinnung gutheißt?
Folter ist absolut verboten. Wenn man sie erlaubt, muss man sie auch regeln. Und dann müsste man sie in die Strafprozessordnung aufnehmen. Das wurde mit guten Gründen in der Zeit der Aufklärung abgeschafft und verboten. Diese ganze Diskussion über ihre Zulässigkeit ist eine falsche Diskussion – sie sollte begraben werden. Und begraben bleiben.

"Gitmo": Keine Schließung in Sicht

171 Häftlinge Von den rund 770 Terrorverdächtigen in Guantanamo („Gitmo“) wurden bisher nur sechs von einem Militärgericht verurteilt, weiteren sieben steht demnächst ein Militärprozess bevor. 600 wurden freigelassen. Weitere 90 könnten freigehen, für sie findet sich aber kein Aufnahmeland. 50 Insassen gelten als zu gefährlich, um sie freizulassen.

US-Kongress
Das US-Parlament verweigerte die Genehmigung, alle Gitmo-Insassen in US-Gefängnisse zu verlegen. Geld für die Schließung des Lagers wurde blockiert.

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