Griechischer Wahltag des Zorns

Griechischer Wahltag des Zorns
Die Wut über Krise und Sparpakete trifft Griechenlands Traditionsparteien mit voller Wucht – mit möglichen Folgen für die ganze Eurozone. Profitieren werden extreme Parteien.

Freundlich im Ton, ein gewinnendes W­esen – und doch tut Yiannis Bournous alles, um Wirtschaftsexperten in und außerhalb Griechenlands die Sorgenfalten ins Gesicht zu treiben. "Wir werden drei bis fünf Jahre lang keine Schulden zurückzahlen", sagt der Funktionär der "Radikalen Linken" SYRIZA dem KURIER. "Erst wenn mit diesem ersparten Geld die Realwirtschaft wieder in Schwung kommt, wird Griechenland mit der EU neu verhandeln, welcher Teil der Schulden überhaupt abgezahlt wird."

Mit dieser Forderung weiß SYRIZA viele krisenmüde und wütende griechische Wähler hinter sich. Mindestens elf Prozent hofft die extreme Linksgruppierung bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag zu holen. Fast genauso viele Stimmen werden der Kommunistischen Partei prognostiziert, die gleich den Austritt Griechenlands aus der Eurozone und der EU fordert.

Wahltag ist Zahltag in Hellas – für a­lle Parteien, die sich für die Fortsetzung des mit der EU und dem IWF ausgehandelten 130 Milliarden Euro schweren Hilfspaketes aussprechen. Von den 32 zur Wahl antretenden Parteien stehen nur drei dafür – unter ihnen die beiden schwer in Misskredit geratenen Großparteien PASOK (Sozialisten) und Nea Dimokratia (Konservative).

Ausgerechnet auf ihnen ruht die Hoffnung Europas, Griechenland auf Sparkurs zu halten – und nicht die gesamte Eurozone zu gefährden. Doch beiden Parteien laufen die Wähler in Scharen davon. Ob sie gemeinsam auf eine tragfähige Mehrheit kommen, ist alles andere als sicher. "Diese Wahlen werden das Ende eine Ära bringen", erwartet der Politologe Kostas Ifantis. "Die Wirtschaftskrise hat die ganze politische Landschaft in Aufruhr versetzt."

Elina, eine junge Mediendesignerin, wünscht sich nur etwas Neues, egal was: "Diese Leute soll ich wählen? Die haben uns doch erst in den ganzen Mist hineingeritten." Selbst Pensionist Giorgios Manos, bisher treuer Stammwähler der Konservativen, faucht auf die Frage, für wen er heute stimmen wird: "Für die bestimmt nicht mehr. Das ist meine Rache dafür, dass meine Pension um ein Drittel gekürzt wurde und sie gleichzeitig alles teurer gemacht haben. Alles nur ein Haufen Diebe!"

Mehrheit will den Euro

Bis zuletzt hofften P­ASOK und Nea Dimokratia, dass viele über das Sparpaket, die hohe Arbeitslosigkeit und die steigende Armut erbosten Griechen in der Wahlzelle doch noch für die beiden Parteien der Mitte stimmen werden. Denn auch wenn sie die schmerzhaften Vorgaben des Sparpakets mehrheitlich ablehnen, so wollen doch 80 Prozent der Griechen in der Eurozone bleiben. Voraussetzung dafür aber ist, so macht die EU klar, die Fortführung des Sparkurses.

Schon im Juni stehen die nächsten Härten bevor: Die neue Regierung in Athen muss festlegen, wie weitere 11 Milliarden Euro eingespart werden. Für den Politologen Ifantis persönlich bedeutet dies: Weitere 12 Prozent Lohnkürzungen, nachdem er bereits 25 Prozent seines Gehalts eingebüßt hat.

Die Wut über das "Spardiktat der EU" treibt auch der extremen Rechten massenhaft Wähler in die Arme. Mit der offen rassistischen "Goldenen Morgenröte" wird erstmals eine neo-faschistische Partei ins Parlament einziehen. Die Rückkehr zur Drachme werde die Souveränität Griechenlands wiederherstellten, propagiert Parteichef Michaloliakos, der Adolf Hitler schon einmal als den "Großen Mann des 20. Jahrhunderts" würdigte.

Die nicht weniger ausländerfeindlichen "Unabhängigen Griechen" sehen ihren Hauptfeind in Deutschland. Wenn ihr schwergewichtiger Chef gegen das "Diktat eines deutschen Europas" wettert, trifft er den Nerv all jener Griechen, die sich über die ständigen Mahnungen Berlins zu disziplinierterem Sparen grün und blau ärgern. Bis zu 18 Prozent könnten die rechtsextremen Parteien heute insgesamt holen. Mit ihnen aber wird keine andere Parlamentspartei zusammenarbeiten.

Kommt am Wahltag des Zorns keine tragfähige Koalition zustande, muss neu gewählt werden – spätestens in 30 Tagen. "Das wäre für unsere anämische Wirtschaft erst recht eine Katastrophe", so der Politologe Ifantis. Denn ohne Regierung wird vorerst kein weiteres Geld nach Athen fließen – und der enorme Frust noch weiter anwachsen.

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