Grelles Licht auf Helmut Kohls Familie

Zwei Bücher über die Familie des deutschen Altkanzlers und dessen Frau Hannelore erneuern die Kontroverse über den Preis für sein Lebenswerk.

In der Dreifaltigkeitskirche in Speyer wurde am Dienstag der vor genau zehn Jahren aus dem Leben geschiedenen Hannelore Kohl gedacht: Im Gottesdienst saßen ihre Söhne Walter, 48, und Peter, 46, Freunde der Familie und die Chefs ihrer Stiftung zur Hilfe für Hirnverletzte. Nur Helmut Kohl, 82, war nicht da. Mit dem Familienfrieden steht es nicht zum Besten.

Kohls älterer Sohn Walter hat mit seinem Buch "Leben oder gelebt werden" einen Bestseller gelandet - total unerwartet, wie er in den vielen Talkshows, die er besucht, zu Protokoll gibt. Im Buch erinnert er an seine Kindheit und Jugend, geprägt von der Wärme seiner Mutter, der steten Ferne und Kälte seines Vaters und der Isolation wegen der am Höhepunkt des Linksterrorismus extremen Sicherheitsmaßnahmen.

Walter Kohl hat das Buch bewusst als Emanzipation von der auch nachher übermächtigen Figur des Vollblutpolitikers geschrieben. Die gelingt so gründlich, dass die Egomanie des sechzehn Jahre als CDU-Kanzler regierenden Vaters auch auf ihn überzugehen droht. Seine Befreiung vollzieht der Automanager so dezidiert wie selten ein Politiker-Kind. Nur Bruno Kreiskys Sohn tat das noch entschiedener und früher.

Thesen

Viel schriller als Walter Kohls Buch ist der zweite Bestseller: Eine Biografie Hannelore Kohls von ihrem selbst ernannten journalistischen Vertrauten, dem WDR-Reporter Heribert Schwan. Der versucht mit vielen höchst privaten Details die alte These vieler Publizisten zu festigen, dass Kohls Gattin ihre 41 Jahre Ehe als zunehmende Frustration erlebte. Nicht wegen ihrer extremen Lichtallergie sei sie aus dem Leben geschieden, sondern letztlich wegen der Lieblosigkeit ihres Mannes. Sein Spendenskandal sei Auslöser des Freitods gewesen, behauptet Schwan.

Das griffen die Medien gerne auf, die Kohl immer als mediokren, egoistischen Glücksritter dumpfer Volksgefühle darstellten. Vor allem der Spiegel, der am Sonntag der ersten Kanzler-Wahl 1983 mit dem Kampftitel "Birne darf nicht Kanzler werden" die Karriere beenden wollte, die da erst so richtig begann. Nun fühlt sich das Magazin bestätigt.

Andere halten dagegen: Bild verweist darauf, dass Hannelore Kohl Zeit ihres Lebens dem Kanzler der Einheit loyale Gefährtin und Beraterin war. Auch ihr Abschiedsbrief an ihn sei ohne jeden Vorwurf. Nie hätte sie die Öffentlichkeit an persönlichen Katastrophen wie ihrer schweren Krankheit oder Familiendetails teilhaben lassen.

Deren Ausbreitung hat Kohl zu einer seiner nun seltenen Äußerungen bewegt: Er "empfinde die öffentliche Zurschaustellung und Vermarktung meines Privatlebens als unangemessen", sie seien in wesentlichen Punkten unwahr und anstandsverletzend. Walter Kohl, obwohl daran beteiligt, nimmt beide Elternteile in Schutz. Er hat nach zwei Jahren Funkstille
mit dem Vater "eine Stunde nett telefoniert". Für dessen Kommen zur Trauerfeier reichte das aber nicht: Das Licht der Öffentlichkeit auf sein Privatleben hatte Helmut Kohl schon als Politiker vermieden. Und er tut es jetzt erst recht.

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