Graz: Paranoider Student drohte Morde an

Graz: Paranoider Student drohte Morde an
An der Med-Uni Graz soll ein 26-jähriger Deutscher Drohbriefe verschickt haben. Festnahme gibt es aber keine.

Ein psychisch kranker Student soll mehr als ein Jahr lang Mitarbeiter der Medizinischen Universität Graz terrorisiert haben: Mit schriftlichen Morddrohungen, der körper­lichen Verletzung eines Professors und einem Tobsuchtsanfall in der Küche des Uni-Klinikums versetzte der 26-Jäh­rige viele Mitarbeiter, aber auch Studierende in Angst.

Weiter studieren durfte der Verdächtige dennoch obwohl er an einer para­noid-schizoiden Störung leiden soll. Aber da er deshalb in Behandlung sei, habe er an der Uni bleiben können, schildert Rektor Josef Smolle. "Wenn er gut drauf war, hat es keine Handhabe gegeben, ihn vom Studium auszuschließen. Außerdem würde ein Ausschluss auch nichts verhindern."

Polizeischutz

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Die Konsequenzen dieser Entscheidung trugen allerdings die potenziellen Opfer. Eine Promotion musste deshalb bereits unter Polizeischutz stattfinden. Es gab Patrouillen vor den Häusern von Uni-Professoren. Auch, weil der Verdächtige versuchte, an eine Waffe zu gelangen, allerdings vergeblich.

Der Verdächtige ist aus Österreich ausgereist, bevor er angezeigt wurde. Die Fahndung lief, doch mittlerweile ist sein Aufenthaltsort bekannt: Er befindet sich bei seinen Eltern in Bayern. Da nur ein österreichischer Haftbefehl besteht, bleibt er dort vorerst unbehelligt. Eine Befragung vor der bayerischen Polizei ließ er durch seinen Anwalt absagen.

Bereits seit 2011 sollen die Zwischenfälle laut Bericht der Kleinen Zeitung aktenkundig sein. "Es hat eMails gegeben, die manchmal mehr, manchmal weniger verschlüsselt waren. Zum Teil waren auch Drohungen darin. Und es hat Anspielungen auf Gewalttaten gegeben, auf Amokläufe, aber nichts Konkretes", schildert Smolle. "Es hat auch noch direktere Schreiben gegeben, die auf bestimmte Personen abgezielt haben. Wir haben das umgehend angezeigt." Die jüngsten Mails sind erst wenige Tage alt.

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Die Opfer schweigen. "Ich werde das nicht kommentieren", sagt eine betroffene Dozentin. Hochrangige Mediziner jedoch halten ihren Ärger über die lange Verschleppung des Problems nicht zurück. "Er hat in Praktika immer wieder Scherereien gemacht, das war ein unglaublich auffälliges Benehmen", erinnert sich Professor Karlheinz Tscheliessnigg, früherer Vizerektor der Med-Uni und Vorstand der Chirurgie. "Er hat Patienten bedroht, Assistenten bedroht. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, wusste, dass der nicht ganz dicht ist."

Die Uni wollte das Problem laut Behörden intern regeln, über das Ärztegesetz: Ein Gutachten sollte klären, ob der Mann sein Studium überhaupt noch fortsetzen kann, da er in der nächsten Studienphase erstmals mit Patienten in Kontakt kommt. Doch da ihm ein negativer Befund drohte, habe der Mann Drohmails verfasst. "Darin ist wirres Zeug, fast religiöser Wahn", heißt es.

Unter den Studierenden gibt es einige, die dem Mann Gewalt zutrauen. "Wenn jemand dazu fähig wäre, dann er", sagt ein Deutscher. "Es ist wichtig, dass die Sicherheit der Studierenden und der Mitarbeiter sichergestellt ist", betont ÖH-Chef Simon Fandler. Die Staatsanwaltschaft ist wortkarg. "Aus ermittlungstaktischen Gründen gibt es keinen Kommentar", sagt Sprecher Hansjörg Bacher.

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Auch der "Joker" war Student und psychisch krank

James Holmes stürmte am 20. Juli, rund 20 Minuten nach Beginn der Premiere des neuen Batman-Films, in Aurora, Colorado, den Kinosaal. Er erschoss zwölf Menschen und verletzte 58 Kinogäste. Der Fall schockierte nicht nur die USA und wird gerade vor Gericht aufgearbeitet.

Seine Maskerade während des Amoklaufs erinnerte an den Bösewicht eines älteren Batman-Films – den "Joker". Ermittler bestätigten später, dass sich Holmes als dieser Film­bösewicht bezeichnet hatte.

Auch Holmes war Student (der Neurowissenschaften) und in psychiatrischer Behandlung. Seine Universität wusste über die Gefährlichkeit des 24-Jährigen Bescheid. Sechs Wochen vor der Bluttat war er wegen Drohungen von der Universität verbannt worden. Ihm wurde die Schlüsselkarte für den Zugang zum Campus entzogen.

Er war Patient des psychiatrischen Dienstes der Universität. Der Leiterin dieser Einrichtung schickte er vor seinem Amoklauf auch einen Block mit Skizzen des geplanten Massakers. Das Poststück wurde vermutlich zu spät geöffnet.

Im Zuge des Prozesses wird auch die Psyche des Verdächtigen untersucht. Sein Anwalt bezeichnete ihn während des Prozesses als "psychisch krank", ohne genauer darauf einzugehen. Er gilt US-Medien zufolge als schizophren. Bewahrheitet sich dies, könnte Holmes als unzurechnungsfähig eingestuft werden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm "umfassende Bösartigkeit" vor. Von "extremer Gleichgültigkeit über den Wert des mensch­lichen Lebens" ist in der Anklage die Rede.

Nachgefragt: "Diese Kombination kann explosiv sein" Aus der Mücke einen Elefanten machen: Paranoide Störungen klingen nicht unbedingt bedrohlich. Doch in Kombination mit einer schizoiden Störung ist das "eine Kombination, die explosiv sein kann", sagt Gerichtsgutachterin Sigrun Rossmanith.

Der deutsche Student, der an der Med-Uni in Graz Morddrohungen ausgestoßen haben soll, könnte also zur Gefahr werden. Wobei die paranoide Störung selbst keine Geisteskrankheit ist, wie Rossmanith sagt. "Der Realitätsbezug ist gegeben, das Denken nicht gestört." Aber: Eine Abweichung in der Persönlichkeit ist durchaus da. "Da gibt es eine Abweichung vom Durchschnitt", erklärt die Psychiaterin. Und in einer extremen Ausprägung kann das zu einer Störung führen. "Oft ist es aber so, dass die Störung lange nicht in Erscheinung tritt und sich erst mit einem gewissen Alter manifestiert. "Mit der Störung geht auch eine Unausgeglichenheit einher." Betroffene leiden an übertriebener Empfindlichkeit. "Oft gab es Kränkungen und Unrecht im Vorfeld. Das kann sich dann auch zu einer querulativen Art ent­wickeln."

Gefährlich wird das aber in Kombination mit der schizoiden Störung. "Das sind Menschen, die oft zurückgezogen leben, sogenannte Eigenbrötler."

Eine paranoid-schizophrene Störung wurde übrigens auch dem norwegischen Attentäter Anders Breivik attestiert. Und auch Briefbomber Franz Fuchs war davon betroffen.

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