Gauck für "Verlässlichkeit" in Europa

Gauck für "Verlässlichkeit" in Europa
Der deutsche Bundespräsident versichert in Wien, Berlin wolle niemanden dominieren, sondern Reform­erfahrungen teilen.

Spontaner Applaus und "Bravo"-Rufe von Schaulustigen und Wien-Besuchern begleiteten Joachim Gauck Donnerstagvormittag auf seinem Weg in die Hofburg – ein weiterer Beleg für die große Beliebtheit des deutschen Bundespräsidenten.

Ende Februar hatte Gauck während eines Aufenthalts in Wien erfahren, dass sich nach dem Rücktritt von Christian Wulff neben SPD und Grünen plötzlich auch die FDP für ihn als Präsident ausgesprochen hatte und er musste im Foyer eines Restaurants spontan entscheiden. Diesmal – ein halbes Jahr später – kam Gauck als Staatsoberhaupt wieder und wurde von Bundespräsident Heinz F­ischer mit militärischen Ehren empfangen.

Im Gespräch mit österreichischen Journalisten bemühte sich Gauck vor allem, die Haltung Deutschlands in der Euro-Krise zu erklären. Diese sei keineswegs von "Dominanzdenken" geprägt, sondern es gehe um Reformwillen und Verlässlichkeit in Europa – und da könne Deutschland eigene, "unter Schmerzen gemachte Erfahrungen" teilen. In Anspielung auf die harten Arbeitsmarktreformen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (siehe Geschichte unten) sagte Gauck: "Die Lasten früher Reformen haben sich in Vorteile gewandelt." Deshalb stünde die Wirtschaft Deutschlands, aber auch Österreichs heute so stark und solide da.

Er freue sich, dass die deutsche Bevölkerung "nicht hysterisch" auf die Krise reagiere, erklärte Gauck. Sicher gebe es Bürger, die zur D-Mark zurückkehren wollten und sich fragten, wie viele Opfer sie für Europa noch bringen müssten – aber dabei handle es sich nicht um eine breite Absetzbewegung von Europa, vielmehr herrsche nach wie vor ein Geist der Solidarität. Wenn es gelinge, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in ganz Europa herzustellen, seien die Menschen zu vielen Opfern bereit.

Rettungsschirm

Bundespräsident Fischer nutzte die Gelegenheit, um klarzustellen, warum er im Gegensatz zu seinem Gast den Euro-Fiskalpakt und den Rettungsschirm ESM bereits unterzeichnet hat: In Deutschland setze der Präsident laut Verfassung ein Gesetz nach dem Spruch der Höchstrichter in Kraft, in Österreich könne erst nach der Unterzeichnung eine Prüfung erfolgen. Die Karlsruher Richter wollen am 12. September ihre Entscheidung bekannt geben, ob Fiskalpakt und Rettungsschirm der deutschen Verfassung entsprechen.

Sowohl Fischer als auch Gauck hoben die besonders engen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich hervor – in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Deutschland ist Österreichs größter Exportmarkt, und Österreich nimmt im Gegenzug fast ebenso viele deutsche Güter ab wie China.

Auf Fischer Anmerkung, dass die 230.000 Deutschen in Österreich die größte ausländische Gemeinschaft bildeten, antwortete Gauck mit Augenzwinkern: "Ich weiß nicht, ob die Begeisterung darüber an jedem Tag und an jeder Stelle gleich ist", aber die Menschen hätten ein gutes Zusammenleben gelernt.

Am Nachmittag wurde Gauck auch von Bundeskanzler Werner Faymann empfangen. Anschließend gab es für ihn und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt noch eine Sonderführung durch der Nationalbibliothek. Im Prunksaal bekam der deutsche Präsident die Sonderausstellung "Willkommen Österreich. Eine sommerliche Reise in Bildern" zu sehen, die 100 Jahre österreichische Tourismuswerbung dokumentiert. Am frühen Abend trat er bereits die Heimreise an.

Für Gauck war Wien bereits die siebente Auslandsreise seit seiner Wahl im März. Zuvor war er in Polen, Belgien, Schweden, den Niederlanden, Israel und Frankreich.

Dass er in den Niederlanden als erster deutscher Bundespräsident am Tag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft eine Rede halten durfte, bezeichnete er als besondere Ehre.

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