Finale: Kandidaten schießen sich auf EU ein

Finale: Kandidaten schießen sich auf EU ein
Präsident Sarkozy hat im Endspurt des Wahlkampfs die EU zum Prügelknaben auserkoren. Doch nicht nur er schießt sich darauf ein.

Europa muss uns beschützen und nicht noch stärker der Globalisierung ausliefern", verlangt Nicolas Sarkozy. Der „überzeugte Europäer", so der Präsident über sich selber, hat im Endspurt des Wahlkampfs die EU zum Prügelknaben auserkoren. Der angeschlagene Staatschef erhebt fast jeden Tag eine neue, ultimative Forderung an Brüssel: Er droht mit dem Ausstieg aus dem Schengener Abkommen; er verkündet ein „Einfrieren" des Beitrags Frankreichs zum EU-Budget; er verlangt einen „Buy European Act" (nach dem Vorbild des US-Gesetzes, das bis zu 40 Prozent öffentlicher Aufträge heimischen Kleinbetrieben vorbehält), andernfalls würde Frankreich dieses Prinzip allein anwenden.

Zuletzt forderte Sarkozy eine Neufassung der Maastrichter Grundsatzregeln über Euro und Europäische Zentralbank. Diese müsste das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Das ist eine Attacke auf Angela Merkel, die am obersten Prinzip der EZB – nämlich Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen und Inflationsbekämpfung – nicht rütteln möchte. Aber auch die Übernahme der Forderung seines SP-Rivalen Francois Hollande (die sein Vertrauter Pigasse im KURIER-Interview erläutert).

Sarkozy und Hollande stehen unter dem Doppel-Druck der rechten Marine Le Pen, die den Euro kippen möchte, und des Linkstribuns Jean-Luc Melenchon, der die EU „der Diktatur der Finanz entreißen" will. Melenchon war bereits tonangebend, als 1995 beim Referendum über die EU-Verfassung 55 Prozent mit Nein stimmten.

Letztlich aber wird der Ruf nach einer protektionistischen EU durch das Absacken der Wirtschaft angetrieben: In einem Jahrzehnt verlor Frankreich 600.000 Arbeitsplätze in der Industrie, in den letzten drei Monaten sperrten 16.000 Klein- und Mittelbetriebe zu. Die Handelsbilanz stürzte 2011 in ein Rekorddefizit von 70 Milliarden Euro.

Experten sprechen von einem „Doppel-Defizit", weil sie auch ein Anwachsen der öffentlichen Verschuldung auf 90 Prozent des Bruttonationalprodukts befürchten. Das könnte eine Vertrauenskrise der Finanzmärkte gegenüber Frankreich auslösen. Sarkozy hat so eine Krise für den Fall des Sieges von Hollande prophezeit. Einstweilen aber hält sich bei vielen Finanzern die Überzeugung, dass Sarkozy oder Hollande nach der Wahl notgedrungen einen Sparkurs verfolgen werden, der ihren Versprechen zuwiderläuft.

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