Falscher Verdacht

Ein Arzt bestätigte eine Vergewaltigung, die keine war.

Die Anschuldigung wog schwer: Eine 46-jährige Steirerin zeigte an, sie sei von einem türkischen Gastronomen in dessen Pizzeria vergewaltigt worden. Die Kripo schickte sie zu einer Untersuchung in das Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für klinisch forensische Bildgebung in Graz.

Dort befundete ein Mitarbeiter, der noch nicht einmal eine Facharztausbildung abgeschlossen hat: Schleimhauteinrisse würden für stumpfe Gewalteinwirkung und nicht für freiwilligen Sex sprechen. Punktum.

„Mein Mandant wurde zwei Tage vor Weihnachten in U-Haft genommen. Er hat eine schwerkranke Frau zu Hause. Seine Kinder mussten die Ferien ohne ihren Vater verbringen. Mich hat das dermaßen aufgeregt“, schildert der Grazer Anwalt Georg Christian Gass. Am 5. Jänner fiel das „Opfer“ um: Sie habe aus Rache gehandelt, gestand die verheiratete Frau, weil ihr Schwarm nichts von ihr wissen wollte.

Die Pannenserie beim LBI setzt sich damit fort. Derselbe Assistenzarzt hatte 2011 ein ähnliches Gutachten zu Lasten eines Verdächtigen gemacht: Über einem Grazer Taxifahrer schwebte das Damoklesschwert einer mehrjährigen Haft. Ein psychologisches Gutachten enttarnte die Frau als Lügnerin: Freispruch für den Taxler.

Eva Scheurer, Leiterin des LBI, bezieht im KURIER-Gespräch Stellung. „Es müssen immer zwei Ärzte ein Gutachten unterzeichnen.“ In diesem Fall habe sie unterschrieben, „da ich zurzeit die einzige Fachärztin am Institut bin“.

Für das Vorgehen der Justiz fühle sie sich nicht zuständig. „Die Würdigung eines Gutachtens liegt immer bei der Staatsanwaltschaft und dem Gericht. Wir konzentrieren uns nur auf die körperliche Untersuchung.“

Es habe sich so eingependelt, dass die Gerichtsmedizin Todesfälle untersuche und sich das LBI um Missbrauchsfälle kümmere.

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