EU-Vergleich: Korruption in Österreich steigt

EU-Vergleich: Korruption in Österreich steigt
Vier von fünf Österreichern halten Korruption für ein großes Problem, jeder Zehnte war darin schon selbst verwickelt.

August 2010: Die OECD nennt Österreich "eine Korruptionsoase". Mai 2011: Transparency International rügt Österreich und führt das Land in einer Liste von 21 "Schwarzen Schafen".

Österreich, Hort der Korruption? Jein. Martin Kreutner, Leiter der Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg und Ex-Chef der Polizei-internen Anti-Korruptionsbehörde im Innenministerium, sagt: "In Summe steht Österreich nicht schlecht da – im weltweiten Kontext im oberen Fünftel." Österreich falle aber auf den Kopf, "dass wir das Problem in den letzten Jahren nicht ernst genug genommen haben".

Transparency International und die EU-Kommission erheben regelmäßig, wie die Korruption und deren Bekämpfung in der Bevölkerung wahrgenommen werden. Der letzte "Eurobarometer", erhoben im Vorjahr, zeigt: In Österreich bejahen elf Prozent die Frage, ob im letzten Jahr Schmiergeld von ihnen erwartet oder gar offen verlangt wurde. Ein katastrophaler Wert: Österreich ist also fast auf Augenhöhe mit Italien; der EU-Schnitt liegt bei acht Prozent – in den Niederlanden ist es nur ein Prozent.

Ähnlich erschütternd sind die Antworten auf die Frage, ob Korruption im jeweiligen Land ein großes Problem sei: 80 Prozent der Österreicher sagen dazu "Ja". Das ist nicht nur mehr als im EU-Schnitt (74 Prozent), das ist im Vergleich zum vorletzten Barometer 2009 auch ein Anstieg um 19 Prozent. In keinem EU-Land ist dieser Wert schneller gewachsen. Für das Barometer werden 27.000 Personen in der EU befragt; auch in anderen Punkten schneidet Österreich bestenfalls durchschnittlich ab (Grafik).

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EU-Vergleich: Korruption in Österreich steigt

Eine alte Faustregel der Korruptionsbekämpfung sagt: Nur fünf Prozent der Fälle werden aufgedeckt. Das Problem: Wenn ein Beamter die Hand aufhält; wenn ein Politiker Geld einsteckt – dann gibt es oft keine direkt Geschädigten, die Rechnung bezahlt die anonyme Masse der Steuerzahler. Ohne "Opfer" sind die Fälle dementsprechend schwer zu finden.

Friedrich Schneider, Ökonom an der Kepler-Universität Linz, forscht über die volkswirtschaftlichen Schäden durch Schwarzarbeit und Korruption. In seiner jüngsten Hochrechnung schätzt er die Verluste für die heimische Wirtschaft allein durch die Korruption auf 16 Milliarden Euro im Jahr 2011.

2004 waren es noch zwölf Milliarden. Würde man die Korruption hierzulande wenigstens auf Schweizer Niveau senken, würde allein dies der Wirtschaft pro Jahr sechs Milliarden sparen, resümiert Schneider. Korruption ist aber nicht nur eine Bedrohung für den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg, erläutert der Korruptionsexperte Kreutner: "Wenn man solche Probleme ignoriert, dann bedroht das auch die langfristige Entwicklung."

Das gelte nicht nur für Österreich: "Es ist kein Zufall, dass die Staaten, die am reichsten, stabilsten und prosperierendsten sind, auch die sind, die am wenigsten Probleme mit Korruption haben. Letztendlich geht es hier nicht nur um Politikverdrossenheit, es geht auch um den Wirtschaftsstandort." Die vielen Fälle der letzten Jahre, das Gewürge um den Untersuchungsausschuss im Parlament (siehe Text unten) sind also nicht die beste Werbung für potenzielle Investoren, nach Österreich zu kommen. Immerhin: Auch die Bemühungen würde man im Ausland wahrnehmen, sagt Kreutner.

Die Antikorruptions- und Transparenzgesetze, die heuer beschlossen wurden, "wurden international sehr gut aufgenommen. Das war ein Quantensprung. Auch wenn man da natürlich einwenden kann: Der war bitter nötig."

Fiedler: "Fallen weiter zurück"

Korruptionsexperte Franz Fiedler sieht in den Querelen um den U-Ausschuss einen Schaden für das Ansehen des Landes: "So etwas nimmt man im Ausland natürlich auch wahr." Im Korruptionswahrnehmungsindex 2011 von Transparency International liegt Österreich auf Rang 16 von 182. Fiedler: "Das hört sich gut an. Aber 2005 lagen wir noch auf Platz 10. Und: Nimmt man nur entwickelte Rechtsstaaten, liegt Österreich im schlechten Mittelfeld."

Eine weitere Statistik schmeichelt Österreich ebenfalls wenig: Laut "Bribe Payers Survey" glaubt jeder fünfte Geschäftsmann in Österreich, dass Bestechungen korrupter Mitbewerber ihn im Vorjahr Aufträge gekostet hätten. Zum Vergleich: In der Türkei sind es drei Prozent weniger – nur 17.

Morgen ist Transparency-Österreich-Chef Fiedler im KURIER-Online-Chat (13 Uhr) zu Gast.

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