Einer der Letzten seines Schlages

Einer der Letzten seines Schlages
Gerhard Hoffmann ist Zeitzeuge des Spanischen Bürgerkriegs. Er kämpfte in den 1930er-Jahren gegen die Franco-Diktatur und dann gegen Hitler-Deutschland.

Krieg ist nicht gerade die Situation, in der man seinen edelsten Gefühlen freien Lauf lassen kann“, sagt Gerhard Hoffmann, 94. Der gebürtige Wiener, der heute in Markt Piesting bei Wiener Neustadt lebt, blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Unter anderem auf den Spanischen Bürgerkrieg, dessen Ausbruch 1936 sich heuer zum 75. Mal jährte.

Hoffmann empfängt den Besucher bereits im Stiegenhaus mit einem kräftigen Händedruck. In der Wohnung werden von seiner Frau Milena Kaffee und Kekse serviert. Der 94-Jährige nimmt Platz, spricht leise und mit Selbstironie: „Schön langsam hat mich der Alzheimer.“ Dabei verfügt er über ein unglaubliches Erinnerungsvermögen an sein Leben, das ihn von Österreich über Spanien bis nach Nicaragua führte.

Zuchthaus

„Seit Februar 1937 bin ich unter Schuschnigg im Gefängnis gesessen und habe die letzte Zeit im Zuchthaus Stein verbracht“, erinnert sich Hoffmann. Aus der Maturaklasse heraus war er wegen kommunistischer Gesinnung verhaftet worden.

Einen Monat vor dem Einmarsch der Hitlertruppen in Österreich kam er frei. „Wir haben versucht, Widerstand zu organisieren. Damit der Untergang von Österreich nicht einfach als historische Gegebenheit gilt. Aber es war vergeblich.“ Am 13. März 1938, dem Tag nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, flüchtete er in die Tschechoslowakei und von dort „nach einigen vergeblichen Versuchen mit falschem Pass nach Frankreich“.

Gerhard Hoffmann kam nach Paris, bestand dort die Tauglichkeitsprüfung und machte sich mit vier Kameraden zu Fuß auf nach Spanien, um auf der Seite der Internationalen Brigaden gegen das faschistische Regime von General Franco anzukämpfen. Mit tränen- erstickter Stimme denkt Hoffmann an den Moment zurück, an dem er die Grenze in den Pyrenäen überschritt. „Ein Erlebnis.“

Spanien sei die Hoffnung der Linken aus Österreich und aller Welt gewesen, dem Faschismus Einhalt gebieten zu können, sagt Hoffmann. Aufseiten Francos waren es vor allem bestens ausgerüstete italienische und deutsche Truppen, die gegen die Republikaner vorgingen. „Aber sicherlich war auch die Hälfte der Spanier nicht auf unserer Seite.“ Die Internationalen Brigaden waren das aus aller Herren Länder zusammengewürfelte Pendant zu Francos faschistischen Verbündeten.

An der Front

Einer der Letzten seines Schlages

Im Juli 1938 kam er an die Front. Wenige Monate später wurden die Brigaden entwaffnet, um im Jänner 1939 „bei der Bedrohung von Barcelona“ wieder in die Schlacht geschickt zu werden. Der Ring der Franco-Truppen schloss sich, die Front brach zusammen. „Wir hatten ja kaum noch Waffen.“

Vom Krieg spricht Hoffmann nicht gerne. „Wir haben versuchen müssen, andere umzubringen“, sagt er nach längerem Überlegen. „Aber man behält böse Erfahrungen nicht unbedingt im Gedächtnis ...“

Eine wilde Flucht nach Frankreich begann, begleitet von Hunderttausenden Spaniern, die vor den Faschisten flohen.

Hoffmann landete, gemeinsam mit vielen Brigadisten, in einem französischen Konzentrationslager. „Es gab eine ausländerfeindliche Stimmung, vor allem gegen die Spanien- kämpfer“, erinnert er sich. Nach weiteren Lager-Internierungen – wo er auch seinen Bruder, ebenfalls ehemaliger Brigadist, zum letzten Mal traf – schloss er sich dem französischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer an. „So habe ich die Befreiung Frankreichs erlebt.“ 1944 in Belgien landete er – Hoffmann war auf Jobsuche – bei der US Army. Er erhielt eine Uniform und „endlich etwas zu essen, der Hunger hatte ein Ende.“ Nach Kriegsende, „kehrte ich mit dem ersten Transport durch ein zerstörtes Deutschland aus dem Exil nach Wien zurück“. Ohne Familie. Sein Bruder war im KZ Groß-Rosen gestorben, die Spur seiner Mutter „verlor sich bei einem Transport in den Osten“. Sein Vater war in einem KZ verhungert.

Hoffmann hat nichts von seinem Antrieb eingebüßt. Er war Tischler, arbeitete bei Wien-Film und als Unternehmer. Fidel Castro traf er zwei Mal in Kuba, in Nicaragua baute er in den 1980er-Jahren als Über-60-Jähriger Häuser für die vom Bürgerkrieg geschundene Bevölkerung. In Spanien war er zuletzt 2008. Noch heute hält der 94-Jährige regelmäßig in der ganzen Welt Vorträge über den Spanischen Bürgerkrieg.

Widerstand: Zwölf sind noch am Leben

Nach dem Sieg der Linksparteien und Liberalen bei den Wahlen 1936 erhob sich der spanische General Francisco Franco. Unterstützt von Deutschen und Italienern setzte der Faschist in einem dreijährigen Bürgerkrieg der Demokratie ein Ende. Franco regierte Spanien bis 1975.

Internationale Brigaden Kämpfer aus 52 Nationen schlossen sich zu den Brigaden zusammen, um Franco Widerstand zu leisten. Unter den 40.000 Brigadisten waren 1500 Österreicher. Zwölf „Internationale“ leben noch, darunter die Österreicher Gerhard Hoffmann und Hans Landauer.

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