Ein bisschen Idylle

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Lebenserfahrung: Über das "nur" Mutter-Sein.

Beides probiert, ein Vergleich: Nach der Geburt meines Sohnes (heute 24) war ich – mehr oder weniger – "nur" Mutter. Damals habe ich mich freiwillig dafür entschieden, weil ich mich nach so etwas wie Perfektion gesehnt habe. Perfektion bedeutete für mich auch die Idylle und Sicherheit einer tradierten Familie. Mit klaren Rollenbildern, selbst gemachtem Karottenbrei und Bio-Gemüse-Zucht auf der kleinen Terrasse.

Täglich schleppte ich die Bauern-Milch aus dem einzigen Bio-Laden der Stadt von A nach B. Ich sang stundenlang Kinderlieder, ging stundenlang auf den Spielplatz, kochte, bastelte, bemühte mich, eine wunderbare Mutter zu sein. Mein Versuch, mich sicher zu fühlen – in einer bisher für mich sehr unsicheren Welt.

Fünf Jahre lang hat das gut funktioniert – bis ich merkte, dass mir viel fehlte. Ich musste erkennen, dass man sich sicheres Terrain nicht erschaffen kann, indem man es in der Außenwelt inszeniert. Die Suche begann erneut, wir ließen uns scheiden, ich begann als Alleinerzieherin selbstständig zu arbeiten.

Im Jahr 2000 bekam ich mein zweites Kind – neuer Mann, neue Chance. Doch diesmal entschied ich mich ein Jahr nach der Geburt, wieder arbeiten zu gehen. Es war die richtige Entscheidung –, weil ich die Chance hatte, mich weiterzuentwickeln, zu wachsen – das zu tun, was mich beruflich erfüllt. Doch freilich: Ohne einen engagierten Partner an meiner Seite, der diese Entscheidung mitgetragen hat, wäre ich gescheitert. Eine Herausforderung ist es trotzdem geblieben – der Alltag nötigt mir alles an Disziplin, Organisationstalent und Kraft ab. Für mich bleibt da oft nichts mehr übrig. Und das in einer Zeit, in der Selbstverwirklichung auf der Hitliste der Bedürfnisse ganz oben steht.

Anne-Marie Slaughter hat wohl recht mit ihrem Man kann nicht alles haben. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt schon, wenn die Tochter noch Karten spielen möchte, man aber

dafür nach einem langen Tag zu erschöpft ist. Vielleicht geht es ja nur darum, von allem ein bisschen zu haben. Auch, wenn das nicht nach jener Perfektion und Idylle klingt, nach der ich mich einst gesehnt habe – ich bin damit sehr glücklich.

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