Der Arzt, dem die Todesstrafe droht
Es ist heute nicht heiß." Das Thermometer im schwarzen Porsche Cayenne von Eugen Adelsmayr zeigt 42 Grad Celsius an. Der gebürtige Oberösterreicher braust über eine sechsspurige Asphaltwüste. Die Glocke aus Dunst und aufgewirbeltem Sand, die Dubais Skyline einnebelt, klart auf. Die Suche nach einem Lokal, das trotz des Fastenmonats Ramadan Gäste bewirtet, endet an der Nordseite des Dubai Creek, einem Meeresarm, der 14 Kilometer ins Wüstenland reicht.
"Der Prozess beschäftigt mich jede Stunde des Tages", erzählt der 52-Jährige bei einer Tasse Cappuccino. Hier im Übermorgenland startete Adelsmayr seine Traumkarriere als leitender Intensivmediziner. Und hier erlebte er seinen tiefsten Fall.
Heute begann der Prozess, bei dem es für Adelsmayr um Leben oder Tod geht. Die Staatsanwaltschaft wirft Adelsmayr vor, im Jahr 2009 einen Patienten ermordet zu haben. Dafür droht dem Arzt im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Obwohl bereits eine Experten-Kommission alle Vorwürfe entkräftet hat, wird ihm in Dubai ein aufsehenerregender Prozess gemacht. Der Familienvater steckt den Kopf nicht in den Wüstensand. "Ich bin unschuldig. Und ich kämpfe das durch", beteuert er. Die Verhandlung wurde gleich zu Beginn auf September vertagt. Der KURIER hat vor dem ersten Prozesstag mit Adelsmayr gesprochen.
KURIER: Man hat Ihnen den Pass abgenommen. Sie wurden suspendiert und des Mordes angeklagt. Wie geht es Ihnen in dieser Situation?
Adelsmayr: Mir geht es mal besser und mal schlechter. Ich wache nicht jeden Tag mit tränenerstickter Stimme auf. Ich versuche, meinem Tag eine Struktur zu geben, habe Anwaltstermine, telefoniere viel, halte meine Wohnung in Schuss und bereite mich auf den Prozess vor.
Wann haben Sie Ihre Frau und Ihre beiden Kinder zuletzt gesehen?
Ich war zuletzt zu Weihnachten 2009 daheim. Die Familie war zwischendurch schon da. Ich darf ja seit der Passabnahme das Land nicht verlassen. Die Sehnsucht, meine Familie zu sehen, wächst natürlich.
Sie haben sich nicht schuldig bekannt?
Ja, natürlich! Der Prozess beschäftigt mich jede Stunde des Tages. Ich kämpfe das durch. Es geht mir um Gerechtigkeit.
Sie wissen, was im Falle einer Verurteilung droht. . .
. . . Der Strafrahmen reicht von drei Jahren Haft bis zur Todesstrafe. In der Anklageschrift verlangt der Staatsanwalt meine Exekution. Ich hab' mich bewusst nicht erkundigt, wie das hier gemacht wird.
Ist das nicht nur eine übliche Floskel. . .
Nein, das ist unüblich und ernst gemeint. Die Anklage lautet auf "geplanter Mord".
Wie reagiert Ihr Umfeld?
Meine Freunde waren bestürzt. Die Ärzte sind sehr verunsichert. Jeder, der in einem kritischen Bereich arbeitet - Anästhesie, Notfallmedizin, Unfallchirurgie - kann in meine Situation kommen. Kollegen aus Österreich, die geplant haben zu kommen, haben jetzt abgesagt. Das Risiko ist ihnen zu groß.
Sie waren in Dubai das Top-Thema in den Nachrichten. . .
. . . Ja! Nach der Anhörung ist es hier durch alle Medien gegangen. Das war eine Rufmordkampagne. Aufgrund dieses medialen Drucks bin ich suspendiert worden.
Wie waren die Reaktionen aus Österreich?
Es ist eine Welle der Unterstützung gekommen, die mir gut getan hat. Ich bin mir nicht ganz so verlassen vorgekommen. Es ist jetzt das Bewusstsein da, dass eine Öffentlichkeit ein bisschen darauf schaut, wie die Sache hier weitergeht.
Wie sollen Sie nach Ansicht des Staatsanwalts den Patienten ermordet haben?
Das Motiv begründen sie, indem sie sagen, ich wollte ein Bett auf der Intensivstation freimachen. Die Tatwaffen sollen eine Überdosis Morphium und Sauerstoffmangel gewesen sein. Und ich soll den Befehl gegeben haben, den Mann bei einem erneuten Herzstillstand nicht mehr zu reanimieren.
Der Reihe nach: Was sagen Sie zu den medizinischen Vorwürfen?
Für mich waren die Vorwürfe zu Beginn lächerlich. Ich hab' die Sache unterschätzt. Das wurde dann schlimmer und schlimmer.
War es zu viel Morphium und zu wenig Sauerstoff?
Vorweg mal: Opiate sind hier zu allererst Rauschgift und damit was Schlechtes. Morphium kann rein theoretisch zum Atemstillstand führen. Aber: Der Patient war vom Hals abwärts querschnittgelähmt und wurde von einer Maschine beatmet. Aus diesem Grund kann es zu keinem Atemstillstand gekommen sein. Und der Sauerstoff wurde auf ein raumübliches Niveau gesenkt. Es gab nicht das geringste Symptom von Sauerstoffmangel. Der Patient war mit dieser Einstellung 36 Stunden stabil, unauffällig und hat kommuniziert.
Gehen wir zum zweiten Vorwurf. Sie sagen, Sie haben die DNR-Order (Do not resuscitate, engl. nicht wiederbeleben Anm.), den Patienten also nicht mehr zu reanimieren, nicht gegeben.
Die hab' ich nie gegeben. Alle Zeugen sagen ja nur, dass jemand gehört hat, dass ich das gesagt haben soll.
Warum ist das Thema so heikel?
DNR war lange Politik im Spital. Illegalerweise! Das ist praktiziert worden. Das kann ich beweisen.
Wie?
Es hat eine Policy nämlich dieses Formular gegeben (zeigt eine Farbkopie), es hat einen administrativen Ablauf gegeben. Ich habe so eine Order kein einziges Mal gegeben. Ich, und das ist ja das Perverse daran, habe das nachweislich mehrfach kritisiert und gesagt, dass das nicht legal ist. Der Staatsanwalt würde sicher 15 Fälle pro Jahr finden, wo DNR wirklich angewendet wurde.
Sie sagen, das war eine Rache-Aktion von Kollegen . . .
. . . Zwei Ärzte haben geglaubt, dass ich sie schlecht bewertet hätte. Und es ist im Team gemunkelt worden, dass die beiden was aushecken. Einer hat mich dann angezeigt.
Warum haben Sie bislang keine Stellungnahme abgeben können?
Vor Ablauf der Frist hat der Staatsanwalt uns verständigt, dass wir nichts mehr einbringen brauchen. Die Mordanklage sei bereits an das Gericht weitergeleitet worden.
Sie wurden suspendiert, haben immense Ausgaben, aber keine Einnahmen. Wird es finanziell eng?
Die erste Rate für den Anwalt kostete mich 30.000 Euro. Wobei ich vorher schon für zwei weitere Anwälte ungefähr das Doppelte ausgegeben habe. Es gibt auch laufende Kosten. Das geht jetzt noch. Aber wenn sich das Ganze über ein Jahr hinzieht, wird die Situation schwierig.
Was würden Sie nach einem Freispruch zu allererst tun?
Ich würde zu meiner Familie heimfahren.
Was gibt Ihnen Kraft für den Prozess?
Der Glaube, dass das Ganze ein gutes Ende findet.
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