China: Polit-Thriller um Macht und Mord

China: Polit-Thriller um Macht und Mord
Als voriges Jahr ein Brite in China starb, ahnte niemand, welch beispielloser Machtkampf daraus folgen würde.

Hinter Chinas verschlossenen Türen tobt der größte politische Sturm seit der Niederschlagung der Studentenproteste am Tiananmen-Platz 1989. Die skandalöse Geschichte liest sich wie ein Thriller, in dessen Mittelpunkt das einst einflussreiche Ehepaar Bo Xilai und Gu Kailai sowie ihr tiefer Absturz aus den Machtzirkeln Chinas stehen. Bo verlor diese Woche alle seine Ämter, nachdem gegen seine Ehefrau Gu, oft als "Jackie Kennedy Chinas" bezeichnet, "dringender" Mordverdacht erhoben wurde.

Zukunftspläne

Der ehemals mächtige Spitzenpolitiker Bo Xilai hatte noch bis vor Kurzem beste Chancen, in Chinas wahres Machtzentrum, den Ständigen Ausschuss des Politbüros, aufzusteigen. Im Herbst nimmt dieser engste Führungszirkel der Kommunistischen Partei einen Generationswechsel vor – das passiert nur einmal in zehn Jahren. Die neun Plätze im Ausschuss sind hart umkämpft. Und Bo hat sich mächtige Feinde geschaffen: Nicht nur mit seinem Kampf gegen das Organisierte Verbrechen in seiner Amtszeit als Parteichef der aufstrebenden Metropole Chongqing. Vor allem seine "roten" Kampagnen gingen den marktorientierten Reformern in der KP-Spitze gegen den Strich.

Tod im Hotel

Den Anfang nahm Bos Sturz bereits im vergangenen November, als der britische Geschäftsmann Neil Heywood tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden wurde. Als Todesursache wurde zwar eine Alkoholvergiftung festgestellt, seine Leiche wurde ohne Autopsie eingeäschert. Im Februar eskalierte jedoch die Situation: Chongqings Polizeichef Wang Lijun, der an der Seite Bos als "Super-Bulle" bekannt wurde, suchte Zuflucht im US-Konsulat. Angeblich fürchtete er aufgrund brisanter Informationen um sein Leben. Nach unbestätigten Berichten soll er nicht nur Belastungsmaterial gegen seinen früheren Chef Bo gesammelt haben. Er soll den Amerikanern vor allem erzählt haben, dass Bos Ehefrau Gu für Heywoods Tod verantwortlich sei.

Der in China lebende Heywood und Gu hatten geschäftliche Bande gepflegt, die Familien waren befreundet. Doch nach Geldstreitigkeiten hätte sich der Brite mit der Anwältin überworfen. Gu wurde nun den Justizbehörden überstellt. Bis dahin galt die 52-Jährige als Vorbild, die durch Intellekt und Stil beeindruckte.

Kampf um Einfluss

Wie der Tod des Briten mit den Intrigen im Politbüro zusammenhängt, ist in China Gegenstand blühender Spekulation.

Die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik sieht im KURIER-Gespräch als Hintergrund des Krimis klar einen Machtkampf in der KP. Zwei Flügel stünden einander zurzeit unversöhnlich gegenüber: Die "neue Linke" und Mao-Nostalgiker wie Bo, die sich die Verteilungsgerechtigkeit auf die Fahnen hefteten, und die Marktreformer rund um die Staatsspitze Hu Jintao und Wen Jiabao, die die Mittelklasse privilegieren. In der Absetzung Bos mit der Begründung des Mordskandals sieht die Expertin eine Strategie der Ausschaltung ungeliebter Gegner.

Im Internet wurde spekuliert, Premier Wen habe persönlich den umstrittenen Funktionär Bo abgesägt – kurz darauf verschärfte die KP erneut die Zensur. Durch den möglichen Mord und die politischen Folgen ist der linke Flügel angesichts des anstehenden Führungswechsels stark angeschlagen. Aber, so Weigelin-Schwiedrzik: "Dieses Spiel ist noch nicht ausgespielt."

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