Chile: Für Bildung auf die Barrikaden

Chiles Studenten fordern ein bezahlbares Bildungssystem. Nach dem Scheitern von Verhandlungen kam es erneut zu Krawallen.

Seit fünf Monaten demonstrieren Hunderttausende chilenische Schüler und Studenten nun schon für ein gerechteres Bildungssystem und mehr finanzielle Beteiligung des Staates an ihren Ausbildungskosten - am Donnerstagabend sind die Proteste neuerlich gewaltsam eskaliert. In der Hauptstadt Santiago de Chile sowie in drei weiteren Großstädten des südamerikanischen Landes, Valparaiso, Conception und Valdivia, lieferten sich Jugendliche und Polizei Straßenschlachten.

In Santiago blockierten tanzende Studenten die Alameda, eine der wichtigsten Straßen der Fünf-Millionen-Metropole. Als die Sicherheitskräfte einschritten, bewarfen die Demonstranten sie mit Steinen und zündeten Straßenbarrikaden an. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Die Bilanz der nächtlichen Unruhen: 30 Verletzte, 25 davon Polizisten, und 135 Festnahmen.

"Universales Recht"

Auslöser für die Krawalle war das Scheitern der knapp einwöchigen Verhandlungen zwischen Studenten und der Regierung wenige Stunden zuvor. Protestführerin Camilla Vallejo (23), die die Studenten der 25 staatlichen Hochschulen vertritt, hatte nach einem Treffen mit Bildungsminister Felipe Bulnes gesagt: "Die Regierung garantiert Bildung nicht als ein universales Recht, sondern nur für einige wenige." Bulnes entgegnete, dass seine Regierung es sich nicht leisten könne, die Ausbildung für alle Studenten zu bezahlen. Die Regierung werde aber eine Expertenkommission einsetzen.

Camilla Vallejo und ihren bisher 250.000 Mitstreitern reicht das nicht. Sie haben bereits neue Kampfmaßnahmen angekündigt. Dieses Wochenende ist eine inoffizielle Volksabstimmung zur geforderten Bildungsreform geplant, die die breite Masse in die Debatte miteinbeziehen soll. Für 19. Oktober sind weitere Demonstrationen vorgesehen. Die Demonstranten diskutieren auch neue Campus- und Schulbesetzungen.

All das soll die Regierung unter Druck setzen, die durch die Proteste bereits schwer angeschlagen ist. Besonders gelitten hat die Popularität des konservativen Präsidenten Sebastian Pinera, der erst kürzlich ein Gesetz angekündigt hatte, das Proteste und Schulbesetzungen kriminalisieren soll. Zuletzt waren nur noch 26 Prozent der Wähler mit ihm zufrieden.

Bildung: Was die Demonstranten fordern

Die Schüler und Studenten, die seit einem knappen halben Jahr regelmäßig auf die Straße gehen, fordern die Abschaffung der Studiengebühren für Schulen und Universitäten, Stipendien für mindestens 60 Prozent der ärmeren Studenten und eine bessere Ausstattung staatlicher Schulen.

Ein Studium kostet derzeit mehrere Tausend Dollar im Jahr - teurer ist Studieren in der westlichen Hemisphäre nur in den USA. 85 Prozent der Kosten müssen der Student und seine Familie tragen, was meist nicht ohne Kredite geht. Nur die Allerärmsten bekommen eine nahezu kostenlose Ausbildung.

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