Carlos, der Schakal, vor Gericht

Carlos, der Schakal, vor Gericht
Der venezolanische Terrorist steht wegen Mittäterschaft bei vier Anschlägen in Frankreich in den 1980ern vor Gericht.

Wien, OPEC-Zentrale im Dezember 1975: Ein Terrorkommando stürmt das Gebäude, tötet drei Menschen und erzwingt die Verlesung einer antiisraelischen Erklärung im Radio. Dann flieht die Gruppe mit einem gekaperten Flugzeug und mehreren Dutzend Geiseln. Der Kommandant der Terroreinheit: Illich Ramirez Sanchez alias Carlos, der Schakal. In Österreich wurde er nie vor Gericht gestellt. Dafür wird sich Carlos ab heute in Paris vor einem Geschworenengericht verantworten müssen: wegen Mittäterschaft bei vier Anschlägen aus den Jahren 1982/1983 in Frankreich. Mitangeklagt sind die Deutschen Christa Margot Fröhlich und Johannes Weinrich, sowie der flüchtige Ali al-Issawi.

Bei den Anschlägen in Frankreich starben elf Menschen, mehr als 100 wurden verletzt. Carlos ist 1997 in Frankreich bereits wegen der Ermordung von drei Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. An dem bis zum 16. Dezember angesetzten Prozess nehmen 51 Nebenkläger und 65 Zeugen teil. Die Wahrscheinlichkeit, dass der 62-Jährige beim Prozess anwesend ist, ist gering.

Interview aus der Zelle

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Seit 17 Jahren sitzt Carlos nun schon in Haft, seit einigen Wochen in einer Einzelzelle des Pariser Santé-Gefängnisses. Dort hat er nicht nur Zugang zu TV, Radio und anderen Medien, sondern darf dreimal die Woche telefonieren. Dem Rundfunksender Europe 1 gab er im Oktober ein Telefon-Interview: "Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe", sagte er darin. Der Ex-Terrorist gab sich auch überzeugt, dass er durch diplomatischen Druck seines Heimatlandes Venezuela schon bald wieder ein freier Mann sein könne. Detail am Rande: Seine Flitterwochen stünden noch aus - "und die mussten schon seit Jahren warten". Wenn er freikomme, wolle er sie nachholen.

"Meine Gemütslage ist noch immer sehr kampfbereit, um die Illegalität meines Aufenthaltes hier in Frankreich anzuprangern." Die Klage zielt auf Ex-Innenminister Charles Pasqua, den er im Interview zwar als sympathisch, aber auch als "einen alten Schuft, einen alten Gangster" bezeichnete. Pasqua habe ihn einst an Bord eines Flugzeugs des französischen Geheimdienstes illegal aus dem Sudan nach Frankreich verschleppen lassen, betonte Carlos. Damit sei er rechtlich gegen seinen Willen im Land, meinte er mit Blick auf mögliche Verfahrensfehler bei seiner Verurteilung.

Opfer als "Kollateralschaden"

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Über den Film, der über ihn gedreht wurde, ärgerte sich der 62-Jährige: Anders als dort dargestellt sei er weder drogenabhängig noch ein schießwütiger Psychopath gewesen, meinte er. "Ich habe in meinem ganzen Leben nie Kokain genommen!", schimpfte er. "Der Film amüsiert mich eher wegen seiner Dummheiten".

Ob er etwas bereue, wollte der Reporter wissen, etwa den Tod seiner Opfer? "Das Leben ist heilig (...), aber leider gibt es auch Kollateralschäden", kam mit Hinweis auf Konflikte wie im Irak die Antwort. Er bedaure aber, dass er kein Familienleben habe. "Die meiste Zeit war ich ein abwesender Ehemann", sagte der einst mit einer Deutschen liierte Carlos.

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