Austrofaschismus spaltet die SPÖ

Das Blut ist in Wallung, Rot ist in Aufruhr. Das geplante "Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011" spaltet die SPÖ. Es geht um die problematische Phase zwischen 1933 und 1938, die auch als "Austrofaschismus" bezeichnet wird und die noch immer das Verhältnis zwischen
SPÖ und ÖVP belastet. Das Problem: Im Gesetz werden nur jene Opfer des Regimes erfasst, die offiziell in die Mühlen der Justiz gerieten, nicht jedoch viele andere Widerstandskämpfer.
Wie der KURIER erfuhr, beginnen am Montag die innerparteilichen Verhandlungen im Parlament - mit dabei sind Spitzenfunktionäre der SPÖ, aber auch Vertreter der Freiheitskämpfer. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wird ebenfalls an den Gesprächen teilnehmen. Sie sagt: "Ich bin mir der historischen Bedeutung dieses Themas vollauf bewusst. Mir ist bewusst, dass wir erst auf halbem Weg stehen, anderseits waren wir in dieser Sache noch nie so weit. Wie immer der Gesetzestext letztendlich lautet, muss er von den Freiheitskämpfern mitgetragen werden. Ein Gesetz gegen sie ist für mich unvorstellbar." Doch was sind nun die wesentlichen Argumente der Kritiker?
Die Ermordeten

13. Februar 1934, Holzleithen, Oberösterreich. Regierungssoldaten treiben aufständische Schutzbündler zusammen, stellen sechs von ihnen, darunter auch unbewaffnete Sanitäter, an die Wand und schießen. Vier Tote bleiben zurück. Geht es nach dem Gesetz 2011, werden diese Ermordeten nicht rehabilitiert. Denn erfasst werden nur Personen, die von gerichtlichen Entscheidungen und Bescheiden des Ständestaates betroffen waren.
"Das ist an Zynismus kaum zu überbieten. Zudem wird das ständestaatliche System in dem Gesetz nicht hinterfragt. Die Hinrichtungen und Massenverhaftungen nach den Kämpfen werden als Ausnahmen hingestellt", sagt ein SPÖ-naher Historiker. Er fordert wie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter und die Grünen, dass im Gesetz von einem "Unrecht des 'Austrofaschismus'" die Rede sein müsse.
Die Geflohenen
Prominente Sozialdemokraten wie Otto Bauer, von 1918 bis 1934 stellvertretender Parteivorsitzender oder Julius Deutsch, Obmann des republikanischen Schutzbundes, die aus dem autoritären Österreich flohen und ausgebürgert wurden, werden ebenfalls nicht rehabilitiert. Schließlich konnten sie auf Grund ihrer Flucht nicht belangt werden. Auch Karl Renner erfährt keine Rehabilitierung. Er wurde zwar im Zuge des Bürgerkriegs im Februar 1934 verhaftet und war 100 Tage im Gefängnis, fiele also in den Geltungsbereich des Gesetzes - allerdings heißt es im Text auch, dass ausgenommen ist, wer "für den 'Anschluss' an das nationalsozialistische Deutschland eingetreten" ist. Das hat Karl Renner - wie viele andere auch - getan. Da nützt es auch nichts, dass er zwei Mal Kanzler eines demokratischen Österreichs war.
Verfassungsrechtler Theo Öhlinger meint zum geplanten Gesetz: "Es ist natürlich stark von Symbolik getragen. Vielen geht es nicht weit genug, doch im Vergleich zur früher ist es ein Fortschritt. Die ÖVP ist über Schatten gesprungen. Ob man sie zu mehr bewegen kann, das bezweifle ich allerdings."
Ständestaat: Die Gräben sind noch da
Bürgerkrieg 1933 schaltet der christlichsoziale Kanzler Dollfuß das Parlament aus und errichtet den Ständestaat. Ein Aufstand der Sozialdemokraten im Februar 1934 wird niedergeschlagen. Es gibt Hunderte Tote, führende Sozialisten werden hingerichtet. Dollfuß selbst wird im Juli 1934 von NS-Putschisten ermordet, Nachfolger Schuschnigg regiert bis 1938 (dann folgt der "Anschluss"). Die Gräben sind bis heute nicht zugeschüttet. Die SPÖ spricht von einem Unrechtsregime, die ÖVP von Dollfuß als Kämpfer gegen die Nazis und für ein unabhängiges Österreich.
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