Rund tausend Menschen haben sich gestern Abend vor dem Supreme Court versammelt, nachdem bekannt geworden ist, dass die 87-jährige US-Richter-Ikone Ginsburg den Kampf gegen Krebs (Bauchspeicheldrüsenkrebs) verloren hat. Die gebürtige New Yorkerin und bislang älteste Richterin am Obersten Gerichtshof der USA hat bis zum Schluss gearbeitet.
Ikone Ginsburg
Ginsburg war ein Symbol des Trump-Widerstands, eine Ikone der Frauenbewegung und eine Inspiration für junge Frauen. Sie hat für Gleichberechtigung von Frauen und Männern gekämpft. Sie war ein Symbol für Frauen, dass alles möglich ist. Und sie ist von ihren Fans wie ein Rockstar verehrt worden: Junge Frauen haben sich in den letzten nicht nur zu Halloween als „RBG“ verkleidet, sogar Babys bekamen von ihren Eltern den Look, der über 80-jährigen coolen Richterin verpasst.
Es gab Kinderbücher, Stoßstangen-Aufkleber, Filme und sogar eine Oper über sie und den im letzten Wahljahr (2016) verstorbenen konservativen Supreme-Court Richter Antonin Scalia, mit dem sie befreundet, aber nicht einer Meinung war.
Nachfolgestreit
Rund sechs Wochen vor der Wahl kommt ihr Tod zu einem kritischen Zeitpunkt: Am Abend ist bereits ein Streit über ihre Nachfolge in Washington ausgebrochen. Der republikanische Mehrheitsführer der Parlamentskammer, Mitch McConnell, teilte bereits mit, dass der US-Senat noch vor der Wahl über einen Wunschkandidaten von Präsident Donald Trump für die Nachfolge der verstorbenen Ginsburg abstimmen werde.
Als der konservative Supreme-Court-Richter Antonin Scalia im Februar 2016 starb und damit ebenfalls in einem Wahljahr, verweigerte McConnell jedoch ein Senatsvotum über den vom damaligen Präsidenten Barack Obama nominierten Richter Merrick Garland. Die Demokraten wollen mit einer Nachbesetzung dagegen abwarten, auch Präsident Obama hat sich dementsprechend dazu geäußert.
Ginsburg‘s letzter Wunsch war, dass ihre Stelle am Supreme Court, am obersten Gericht erst nach der Präsidentschaftswahl nachbesetzt wird. Donald Trump äußerte sich zunächst nicht dazu, ob er noch vor der Wahl eine Nachbesetzung anstrebt. Ginsburg sei eine „großartige Frau“, die ein „großartiges Leben“ geführt habe, so Trump. Viele fürchten jetzt, dass Trump diesen (kritischen) Moment politisch nutzt, um einen Kandidaten seiner Wahl lebenslang an diese Stelle zu setzen.
Endlose Amtszeit
Außer den USA gewährt keine andere Demokratie weltweit den obersten Richtern solch endlose Amtszeiten. Das ist noch ein Relikt aus der Verfassung von 1789. Historisch gesehen soll das oberste Gericht eine unabhängige Instanz sein. Doch seit Jahren stehen sich die Parteien immer feindlicher gegenüber und sind weniger kompromissfähig. Daher muss das Gericht zunehmend über soziale und politische Fragen entscheiden, die die Gesellschaft des Landes nachhaltig prägen.
Gericht als Korrektiv
Das Gericht verhandelt umstrittene Themen wie Abtreibung, Waffenrecht, Gleichberechtigung und Einwanderung. Nicht selten haben die neun Richter das letzte Wort in Auseinandersetzungen um weichenstellende Gesetze und Verfügungen. Die gefällten Entscheidungen sind häufig von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre, teils Jahrzehnte.
Die Frauenfrage
Auf die Frage, wie viele der neun Richter am Obersten Gericht in den USA weiblich sein sollten und wann es denn genug Frauen seien, sagte Ruth Bader Ginsburg einmal: "Wenn es neun sind." Ein komplett weiblicher Supreme Court? Warum nicht, so die Richterin. "Neun Männer, das war bis 1981 ja auch zufriedenstellend."
Sandra Day O'Connor wurde 1981 die erste Richterin am höchsten Gerichtshof der USA. Die zweite war zwölf Jahre später Ruth Bader Ginsburg, sie ist 1993 vereidigt worden. Die Top-Juristin war 1993 vom damaligen Präsidenten Bill Clinton an den Supreme Court berufen worden. Zuletzt galt sie als Führungspersönlichkeit des linken Flügels des Gerichtshofs.
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