Spitzendiplomat in der ZiB2: "Davon ist Russland weit entfernt"

Russian President Putin chairs a meeting with members of the government in Moscow
Wie stehen die Chancen auf einen Frieden in der Ukraine? Der österreichische Spitzendiplomat Martin Sajdik liefert in der ZiB2 Antworten.

Bei einem russischen Großangriff mit Raketen und Drohnen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew sind nach Behördenangaben in der Nacht auf Donnerstag mindestens 21 Menschen getötet worden, darunter vier Kinder. Auch die EU-Vertretung und das britische Kulturinstitut in Kiew wurden beschädigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij warf der Regierung in Moskau vor, mit dem nächtlichen Angriff die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges ad absurdum zu führen.

"Dieser Schlag zeigt ganz klar, dass sich die Ziele Russlands nicht geändert haben", sagte Selenskij in seiner abendlichen Videobotschaft. "Russland greift derzeit alle Menschen auf der Welt an, die sich nach Frieden sehnen. Dies ist ein Schlag gegen die Ukraine. Dies ist ein Schlag gegen Europa", sagte der ukrainische Staatschef. "Dies ist auch ein Schlag Russlands gegen Präsident Trump und andere globale Akteure." Moskau mache mit solchen Angriffen auch befreundete Länder wie China oder Indien zu Komplizen. Selenskij kritisierte vor allem die Führung in Peking, die trotz vieler Erklärungen nichts für ein Ende des Kriegs tue. "Leider lässt China Russland Krieg führen - so sieht es aus", sagte er.

Das russische Verteidigungsministerium behauptete hingegen, die Angriffe hätten Rüstungsbetrieben und ukrainischen Luftwaffenstützpunkten gegolten. Alle Ziele seien getroffen worden, hieß es.

Martin Sajdik als Gast in der ZiB2

In der ZiB2 war dazu am Donnerstag-Abend der österreichische Spitzendiplomat und ehemalige Ukraine-Sondergesandte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Martin Sajdik, geladen.

Diplomat Sajdik: Russland steht unter Zeitdruck

Laut Sajdik habe sich Russland mit der Verfassungsänderung und dem geplanten Einbezug der vier ukrainischen Oblaste bis 1. Jänner 2026 selbst die Latte sehr hoch gelegt. "Davon sind sie noch weit entfernt. Und daher wird man versuchen, bis zu diesem Enddatum so viel als möglich zu erobern, um diesem russischen Gesetz entsprechen zu können."

Putin spiele daher auf Zeit, auch mit den aktuellen Verhandlungen. "Man kann in Friedensverhandlungen eintreten, aber sie auch nicht abschließen. Und Russland hat ja ein paar Mal schon gesagt, dass sie bereit sind, in Verhandlungen einzutreten, aber ohne Waffenstillstand." Dazu müsse Russland auch gegenüber seinen direkten und indirekten Unterstützern - wie Nordkorea oder China - beweisen, dass man kampfstark und kampfbereit ist. 

Der Komiker Selenskij

Der Spitzendiplomat zeigt sich jedenfalls wenig optimistisch, was die aktuellen Verhandlungen und einen baldigen Frieden angeht. Das Treffen in Alaska sieht Sajdik als "großes Entgegenkommen von Trump und Putin", das vor allem auch für Russland "ein Moment des Triumphes" gewesen sei. Man sei jedenfalls weit davon entfernt, dass es zu diesen - von Trump auch versprochenen - Gesprächen zwischen Selenskij und Putin kommt.

Die beiden Präsidenten hätten sich ohnehin erst ein einziges Mal gesehen, im Dezember 2019 im Rahmen des Normandie-Forums in Paris. Dieses Treffen sei, so Sajdik, auch nicht gut gelaufen. "Das Problem in Russland ist, dass man Selenskij nie ernst genommen hat. Man hat ihn immer als Komödianten angesehen und tut das noch immer. Und man hat erwartet, dass er einen Präsidenten mimt und nicht, dass er ein Präsident ist." 

Selenskij sei 2022 eben nicht davongelaufen, sondern habe sich eingebunkert und sich martialisch in Uniform gezeigt. So sei es schwer für Russland mit dem ukrainischen Präsidenten direkt zu verhandeln "und ihn als ein Gegenüber auf gleichem Rang anzusehen."

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