Luftangriff auf Kiew: Anzahl der Toten steigt

Bei dem schweren, russischen Luftangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew in der Nacht auf Donnerstag sind nach neuesten Behördenangaben mindestens 23 Menschen gestorben. Auch die EU-Vertretung und das britische Kulturinstitut in Kiew wurden beschädigt.
Die Rettungskräfte suchten in der Nacht auf Freitag weiterhin nach verschütteten Menschen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij forderte unterdessen laut seiner offiziellen Internetseite von den europäischen Verbündeten konkrete Sicherheitsgarantien für sein Land.
"Schreckliches und absichtliches Töten von Zivilisten. Die Russen wollen den Krieg nicht beenden, nur neue Schläge", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij auf der Plattform X. Das russische Verteidigungsministerium behauptete hingegen, die Angriffe hätten Rüstungsbetrieben und ukrainischen Luftwaffenstützpunkten gegolten. Alle Ziele seien getroffen worden, hieß es.
Bei einer Videoschaltung Selenskijs mit dem polnischen Präsidenten Karol Nawrocki und den Staats- und Regierungschefs von Estland, Lettland, Litauen und Dänemark am Donnerstag sagte der ukrainische Präsident demnach, es brauche klare Antworten darauf, wer der Ukraine nach einem Waffenstillstand oder Friedensschluss bei einem erneuten russischen Angriff "zu Lande, in der Luft und zur See" helfen werde.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe es aber weiterhin nur darum, den Krieg fortzusetzen. Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine, denen US-Präsident Donald Trump zugestimmt habe, würden seit einer Woche diskutiert. Es sei wichtig, dass Trump die gemeinsame Entschlossenheit Europas sehe, den Krieg zu beenden.
Schäden in EU-Vertretung in Kiew nach russischem Luftangriff
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte Russland auf, das Töten zu beenden und sich an den Verhandlungstisch zu begeben. "Während die Welt einen Weg zum Frieden sucht, antwortet Russland mit Raketen", schrieb sie auf der Plattform X. Mit seinen nächtlichen Angriffen auf Kiew verspotte Russland die Friedensbemühungen. Als Reaktion auf den Angriff bestellte die EU den russischen Gesandten in Brüssel ein, so Kallas weiter.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte neue Sanktionen gegen Russland an. "Wir werden in Kürze unser 19. Paket mit harten Sanktionen vorlegen", sagte von der Leyen in Brüssel. Außerdem treibe die Kommission die Arbeiten voran, eingefrorene russische Vermögenswerte noch besser für die Ukraine zu nutzen.
Wegen der Schäden an der EU-Vertretung in Kiew warf der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha Russland auf der Plattform X vor, gezielt Diplomaten ins Visier genommen zu haben. EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos verurteilte die "brutalen Angriffe" auf X. "Ein klares Zeichen, dass Russland Frieden ablehnt & den Terror wählt", schrieb Kos, die auch Fotos von Schäden am Gebäude veröffentlichte. Laut EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sind alle Mitarbeiter in Sicherheit.
Die Einrichtungen des British Council wurden nach Angaben des Kulturinstituts schwer beschädigt und bleiben vorerst geschlossen. Schäden in ihren Büros meldete auch die Redaktion der beliebten Onlinezeitung Ukrajinska Prawda. Auf von Behörden veröffentlichten Videos und Fotos waren schwere Verwüstungen in einem teils eingestürzten Wohnhaus und ausgebrannte Autos zu sehen. Es gab Berichte über zahlreiche Schäden und mehrere Brände.
Chinesischer Druck auf Russland gefordert
Russland nutze es aus, dass ein Teil der Welt sich blind stelle, wenn Kinder getötet würden, meinte der Präsident. Mit Blick auf die am Sonntag beginnende mehrtägige China-Reise von Kreml-Chef Wladimir Putin forderte Selenskij Peking zu einer Reaktion auf die russischen Angriffe auf. China habe wiederholt dazu aufgerufen, den Krieg nicht auszuweiten und die Kampfhandlungen einzustellen. Er verlangte auch von Ungarn und anderen Staaten, ihr Schweigen zu brechen.
Es sei Zeit für neue Sanktionen gegen Russland, das alle Fristen verstreichen lasse und Dutzende diplomatische Initiativen ruiniert habe, sagte Selenskij. Moskau müsse für jeden Schlag zur Verantwortung gezogen werden, forderte er.
Russland führt seit mehr als dreieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Abend und in der Nacht kam es zu neuen Attacken aus der Luft mit Kampfdrohnen und Raketen - nicht nur in Kiew. Explosionen wurden auch aus den Städten Sumy im Norden sowie Dnipro und Saporischschja im Süden gemeldet.
Laut ukrainischen Angaben wurden Bewohner fast aller Landesteile in Schutzräume beordert, auch fernab der Frontlinie. Demnach schickten die Angreifer mehrere Wellen von Kampfdrohnen los und feuerten auch Hyperschallraketen sowie Marschflugkörper ab. Mehrere Kampfjets der russischen Luftwaffe seien im Einsatz.
Laut der ukrainischen Luftwaffe griffen die russischen Streitkräfte mit fast 600 Drohnen und über 30 Raketen an. 563 der insgesamt 598 russischen Drohnen seien abgefangen und zerstört worden, teilte die Luftwaffe mit. Zudem habe die Flugabwehr 26 der insgesamt 31 russischen Raketen abgeschossen. An 13 Orten seien Einschläge verzeichnet worden, an 26 Orten außerdem der Absturz von Trümmern zerstörter Geschoße.
Ukraine griff Raffinerien in Russland an
Das ukrainische Militär griff nach eigenen Angaben am Donnerstag erneut Ölraffinerien in Russland an. Ziel des nächtlichen Angriffes seien zwei Anlagen gewesen, teilte der Kommandant der Drohnen-Streitkräfte mit. Es handle sich um die Raffinerien Afipsky in der Oblast Krasnodar und Kuybyschewskji in der Oblast Samara.
In der Afipsky-Ölraffinerie brach nach Angaben örtlicher Behörden ein Feuer aus. Das Ausmaß des Schadens ist zunächst noch unklar. Zusammen mit der Krasnodar-Raffinerie verarbeitete die Anlage laut Branchenkreisen im Jahr 2024 7,2 Millionen Tonnen Rohöl, von Jänner bis Juni 2025 waren es demnach drei Millionen Tonnen.
Die russische Flugabwehr fing nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht 102 ukrainische Drohnen ab und zerstörte sie. Mindestens sieben Oblaste seien Ziel des ukrainischen Angriffs gewesen. Russland teilt nur mit, wie viele gegnerische Geschoße abgefangen wurden, nicht wie viele insgesamt entdeckt wurden.
Kommentare