Frieden in der Ukraine? Warum Trumps Versprechungen noch nichts heißen

War das die große Wende? Wenn man den europäischen Staats- und Regierungschefs am Tag nach dem großen Ukraine-Gipfel im Weißen Haus zuhörte, schien es so. „Ein Durchbruch“ sei das Ganze, sagte NATO-Chef Mark Rutte danach fröhlich, schließlich hatte US-Präsident Donald Trump „Sicherheitsgarantien“ zugesagt. Der lobte sich auch selbst dafür.
Ist damit ein Frieden in der Ukraine wirklich greifbarer geworden? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Was wurde auf dem Gipfel beschlossen?
Eigentlich nichts. Beim Treffen des ukrainischen Präsidenten Selenskij und der sieben Abgesandten Europas mit dem US-Präsident ging es hauptsächlich um Atmosphärisches – sprich die Frage, wie weit Trump Wladimir Putin bei ihrem Gipfel in Alaska entgegen gekommen war – von diesem Gespräch gibt es bis heute keine Details.
Dass Trump nach dem Treffen nicht Putins Positionen wiederholte, sondern ein Dreier-Treffen mit Selenskij und Putin und auch Sicherheitsgarantien für die Ukraine in Aussicht gestellt hat, war dementsprechend bereits ein Erfolg in den Augen aller europäischen Beteiligten.
Was genau versteht Trump unter Sicherheitsgarantien?
Das ist die Frage. Trump selbst sagte nur: „Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr gute Sicherheit“, Erläuterungen blieb er schuldig. Denkbar sind vier Szenarien, von denen eine aber quasi ausgeschlossen ist: Eine NATO-Mitgliedschaft Kiews war schon unter Joe Biden eher unerreichbar, Trump hat ihr jetzt eine Absage erteilt. Und da in der NATO das Einstimmigkeitsprinzip gilt, ist jede weitere Debatte erledigt.
Alternativ könnt der Westen die Ukraine zu einem „Igel“ hochrüsten, also mit westlicher Militärtechnik abschreckungsfähig machen. Das dauert jedoch, da die Rüstungsindustrie dem nicht binnen Kurzem nachkommen kann und der Ukraine selbst dazu auch Soldaten fehlen.
Variante drei wäre eine der NATO ähnliche Absicherung westlicher Garantiestaaten, quasi eine Beistandsklausel ohne Beitritt. Diese Variante hat auch Trumps Mannschaft ins Spiel gebracht – mit einer Einschränkung: Die USA selbst wären daran – wenn überhaupt – nur per Luftunterstützung beteiligt, nicht mit Bodentruppen. Das hinge dann an Europa.
Kategorisch ausgeschlossen hat er auch eine Beteiligung an der vierten Variante, dauerhaften Friedenstruppen entlang der Frontlinie.

Wer könnte diese Friedenstruppen stellen?
Bisher haben sich Frankreich und Großbritannien dafür ausgesprochen, der deutsche Kanzler Merz zeigte sich zwar offen, müsste ein langwierige innenpolitische Debatte in Kauf nehmen – einen Bundeswehreinsatz müsste der Bundestag absegnen, und die SPD wäre wohl nicht willig.
Dazu kommt, dass Briten und Franzosen allein nur 25.000 Soldaten stellen könnten, für eine ernsthafte Absicherung und Abschreckung Russlands ist das deutlich zu wenig: Moskau hat derzeit 700.000 Soldaten an der Front, allein um das derzeit heftig umkämpfte Pokrowsk sind es 100.000.
Was sagt Moskau überhaupt dazu? Hat Putin seine Position verändert?
Darauf deutet nichts hin. Putin hat nach dem Treffen mit Trump in Alaska sogar seine Propaganda wiederholt, live im TV. Zugeständnisse in puncto Sicherheitsgarantien dürfte der Kremlchef auch keine gemacht haben, im Gegenteil: Putin hat seine Forderung nach einer entmilitarisierten Ukraine kürzlich erneut wiederholt, was einen hochgerüsteten „Igel“ ausschließt. Auch Friedenstruppen mit NATO-Soldaten hält Moskau für eine Provokation, die „unkontrollierte Eskalation“ mit „unvorhersehbaren Folgen“ auslösen könnten hieß es. Dazu besteht der Kreml nach wie vor auf den „Gebietstausch“ genannten Abtretungsplan (siehe rechts).
Was könnte bei einem Treffen zwischen Putin, Selenskij und Trump herauskommen?
Der Kreml hat einem Treffen bisher nicht zugestimmt. Kommt es dazu, befürchten Beobachter aber ein vergiftetes Angebot Putins – ähnlich dem, das seine Unterhändler 2022 in Istanbul vorgeschlagen hatten. Damals hatte der Kreml einer Beistandsklausel westlicher Garantiestaaten zwar zugestimmt, aber mit Vetorecht der UN-Sicherheitsratsstaaten – also China und Russland selbst. Außenminister Lawrow hat am Dienstag auch andere, unerfüllbare Bedingungen in den Raum gestellt – etwa die Abschaffung aller Gesetze, die die russischsprachige Minderheit in der Ukraine „unterdrücken“ würden. Solch einem Frieden könnte der Westen nie zustimmen, aber Putin hätte vor Trump sein Gesicht gewahrt. Denn auch wenn er innenpolitisch und militärisch nicht einmal ansatzweise unter Druck steht, liegt ihm viel daran, weiterhin mit Trump auf Augenhöhe zu agieren – dieser Wunsch gilt auch als einzige Triebfeder für ein mögliches Treffen mit dem ukrainischen Staatschef, den er nach wie vor als „illegitim“ bezeichnet.
Warum jubeln die Europäer dann über einen Schritt in Richtung Frieden?
SWP-Experte Janis Kluge hält das für „strategische Kommunikation“: Die Europäer wüssten, dass Putin einer NATO-Truppe in der Ukraine nie zustimmen würde und sich nicht mit Selenskij treffen wolle. Aber sie hoffen, dass Putin sich unter dem Druck selbst entzaubert – und Trump verärgert. Nur so könne man die USA weiter auf die Seite der Europas ziehen.
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