Vom Bilder- bis zum Sachbuch
In einer Umfrage der Plattform „Index on Censorship“ unter rund 50 Schulen gaben mehr als die Hälfte der befragten Schulbilbliothekarinnen (53 Prozent) an, dass sie bereits dazu aufgefordert wurden, Bücher mit LGBTQ-Fokus aus ihrem Angebot zu nehmen. Das berichtete der Independent.
Oft kämen die Aufforderungen nach einer einzigen Beschwerde. In der Hälfte der Fälle verschwanden die Titel dann tatsächlich aus den Regalen.
Neben Dawsons Ratgeber war etwa auch das Alphabetisierungsbuch ABC Pride betroffen oder Jessica Loves Julian is a Mermaid.
Dieses Bilderbuch erzählt die Geschichte von Julian, der von Meerjungfrauen fasziniert ist, beginnt sich mit Vorhangstoffen und Farnen zu verkleiden und von seiner Großmutter so akzeptiert wird, wie er ist. Es wurde mit dem Stonewall Book Award und dem Klaus Függe Preis ausgezeichnet.
Katholische Kirche verhinderte Lesung
In der John Fisher School, erzählte die dortige Bibliothekarin im Zuge der Umfrage, wurde eine LGBTQ-Veranstaltung sogar verhindert. Simon James Green, einer der erfolgreichsten LGBTQ-Autoren Englands, hätte 2022 zu einer Lesung in die katholische Bubenschulen in London kommen sollen – bis die katholische Kirche Wind davon bekam.
Die zuständige Erzdiözese Southwark ließ die Lesung absagen und Schulräte entlassen. Auch die Webseite Catholic Truth mobilisierte gegen das Event: „Katholische Schulen können unter keinen Umständen den Glauben der Schüler gefährden, indem sie etwas als gut darstellen, das vom göttlich vermachten Lehramt der Kirche Christi verurteilt wird.“
In der Folge erhielt Simon James Green Hassnachrichten: Er verdiene es zu sterben und in der Hölle zu schmoren. „Ich hätte nicht gedacht“, sagt der Autor damals zum Guardian, „dass so etwas heute im Vereinigten Königreich passieren kann.“
Weiter zugespitzt
Doch nun, zwei Jahre später, sei die Siutation noch gefährdeter, meinte die Bibliothekarin der John Fisher Schule zum Independent: „So ziemlich jede Bibliothekarin, mit der ich gesprochen habe, sagt, dass es heute ein größeres Thema ist als noch vor fünf Jahren.“ Dabei sei es doch der Sinn von Büchern, sich in verschiedene Personen zu versetzen und unterschiedliche Blickwinkel auszuprobieren.
Doch warum der Fokus auf Bücher? „Man kann keine Person davon abhalten, sich als schwul oder lesbisch zu outen. Aber man kann ein Buch infrage stellen“, sagte Juno Dawson im Frühling zum Evening Standard. Und: Es war ihr stets klar gewesen, dass die Mentalität des Büche-Anfechtens von Amerika nach England schwappen würde.
Vorreiter Amerika
Laut Jahresbericht der American Library Association wurden in den USA vergangenes Jahr 4.240 Bücher der Zensur unterworfen. Das ist mehr als in den vorangegangenen zwei Jahren zusammen.
Ein britisches Buch, das dabei schon länger für Wirbel sorgt: Philipp Pullmans berühmte Fantasietrilogie His Dark Materials. Während die BBC in ihrer Liste der 100 besten Kinderbücher die Trilogie auf Platz 6 anführt, wurde in Amerika schon der erste Teil, Der Goldene Kompass, bei seiner Veröffentlichung 1996 kritisiert und war 2008 das zweit-meist verbotene Buch Amerikas.
In der aktuellen Liste befindet sich Juno Dawson This Book Is Gay auf Platz drei. Es wurde vergangenes Jahr 71 Mal angefochten.
Kommentare