Zum Tod von Wolfgang Schäuble: Der Machtmensch, der dem Staat diente

Zum Tod von Wolfgang Schäuble: Der Machtmensch, der dem Staat diente
Er war war der Stratege der 16 Kanzlerjahre Helmut Kohls, Baumeister der Wiedervereinigung, wichtigster Mit- und Gegenspieler Angela Merkels.

Er nahm das Kuvert mit den 100.000 Mark, reichte es ungeöffnet und ordnungsgemäß an die CDU-Parteikasse weiter – und verlor darüber auch noch kein Wort, als man ihm Rechtsbruch und Machtmissbrauch auf den Kopf zusagte. Es war beides – und es brachte Wolfgang Schäuble die größte Katastrophe seines politischen Lebens ein. 

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Über die Beweggründe rätseln Zeitgenossen und Weggefährten bis heute. Was brachte den Prinzipienmenschen und eisern zuverlässigen Diener des Staates dazu, sich 1994 zum Handlanger krimineller Geldflüsse zu machen?

Eiserne Loyalität

Es war wohl die Loyalität zu Helmut Kohl, zu jenem Mann also, der ohne Schäuble wohl nie zu der historischen Figur rund um die Wiedervereinigung geworden wäre. Schäuble war der pragmatische Baumeister der 16 Kohl-Kanzlerjahre.

Er war Kohls Kronprinz, dann Weichensteller großer politischer Entscheidungen wie jene für Berlin als Hauptstadt. Aber er war auch der Machterhalter für einen überständigen Kanzler und seine späten von politischer Lähmung geprägten Jahre – und zuletzt war er dessen Verteidiger, aller politischen Vernunft und allem Anstand zum Trotz.

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Ein Bruch bis ans Lebensende

Der Bruch aber, der dann folgen sollte, reichte über den Tod Helmut Kohls hinaus – und wohl auch über jenen Schäubles, der am Dienstagabend mit 81 Jahren gestorben ist.

Es blieb einer anderen überlassen, Helmut Kohl von seinem Podest zu stürzen, der zweiten mit Sicherheit historischen Figur, die Schäuble durch alle politischen Höhen und Tiefen begleitete: Angela Merkel.

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Der Sparmeister Europas

Schäuble drängte ab 2009 auf Ausschluss Griechenlands aus dem Euro (mit Finanzminister Varoufakis) - dazu kam es nicht. Die harten Bedingungen aber, die Griechenland auferlegt bekam, trugen seine Handschrift

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Ein Partner für Wolfgang Schüssels ÖVP

Schäuble pflegte gute Beziehungen zur ÖVP unter Wolfgang Schüssel – und verteidigte dessen Koalition mit der FPÖ, die ab 2000 in ganz Europa für Empörung sorgte

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Der Kämpfer nach der Katastrophe

Im Oktober 1990 wird Schäuble von einem psychisch Kranken niedergeschossen: Er bleibt gelähmt. Seine Karriere aber setzt der begeisterte Sportler von da an im Rollstuhl fort

 

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Der Mastermind der Kohl-Kanzlerjahre

Eisern loyal: Ohne den pragmatischen Polit-Handwerker Schäuble wären 16 Kanzlerjahre Kohl undenkbar gewesen

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Der Baumeister der Wiedervereinigung

Baumeister Deutschlands: Schäuble verhandelte den deutsch- deutschen Einigungsvertrag - hier mit DDR-Staatssekretär Günther Krause - und forcierte Berlin als Hauptstadt

Europas Sparmeister

Als CDU-Generalsekretärin zwang sie Kohl dazu, den Ehrenvorsitz der Partei zurückzulegen – und fällte Schäuble, der sie selbst ins Amt gehievt hatte, gleich dazu: Der musste auf den Parteivorsitz verzichten.

Schäuble blieb trotzdem Zentralfigur der deutschen Politik – und vor allem Weichensteller der Politik Angela Merkels. Bedingungslos loyal sollte er dann nicht mehr sein. Als Finanzminister vertrat er in der europäischen Finanzkrise eine andere Linie als die Kanzlerin. Er forderte den Rauswurf von Griechenland, dessen Kollaps die Krise ausgelöst hatte, aus der Eurozone.

Härte gegen Griechenland

Diese Forderung setzte Schäuble zuletzt nicht durch. Die Härten aber, die Griechenland aufgebürdet bekam, trugen seine Handschrift. Europas Sparmeister, wie man ihn damals nannte, blieb bei seiner Linie. Eine Revolte gegen die Kanzlerin, wie sie viele erwarteten, blieb für ihn trotzdem undenkbar.

Zum Tod von Wolfgang Schäuble: Der Machtmensch, der dem Staat diente

Er wäre sehr gerne Bundeskanzler, das gestand Wolfgang Schäuble schon offen ein, als er noch Kohls Laufbahn dirigierte. Doch an die Spitze der Republik, egal ob als Kanzler oder als Bundespräsident, schaffte er es nicht. Das Attentat von 1990 hatte ihn, den bis dahin unermüdlichen Sportler, in den Rollstuhl verbannt. Der Gedanke, damit ins Kanzleramt einzufahren, den mochten andere anstellen, Schäuble äußerte ihn nicht mehr.

Politische Demontage

Die Liste der Ämter, die der „ewige Abgeordnete“ auf seinem politischen Lebensweg innehatte, ist trotzdem beeindruckend: Chef des Kanzleramtes, Innenminister, Finanzminister, Präsident des Bundestages – und zuletzt Alterspräsident.

Die politische Demontage aber, die Helmut Kohl schon vor seinem Tod erleben musste und die auch Angela Merkel droht, wird Schäuble wohl erspart bleiben. Selbst harte Kritiker würdigten ihn zuletzt als großen Politiker. „Sperriger Held“ nennt ihn einer – das sollte halten.

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