Wochen der Wahrheit in Nahost: Neue Verhandlungen starten inmitten angespannter Stimmung

Wochen der Wahrheit in Nahost: Neue Verhandlungen starten inmitten angespannter Stimmung
Die erste Phase der Waffenruhe verläuft trotz einiger Spannungsmomente gut. Seit Sonntag wird in Katar über die nächste verhandelt. Doch die Stimmung ist auf beiden Seiten geladen.

Es war das bisher deutlichste Zeichen dafür, dass die seit 19. Jänner bestehende Waffenruhe für beide Seiten zufriedenstellend verläuft: Am Sonntag zog sich die israelische Armee wie vereinbart aus dem sogenannten Netzarim-Korridor im Gazastreifen zurück, der das Gebiet in eine nördliche und südliche Hälfte teilt. 

Damit ist es jenen tausenden palästinensischen Flüchtlingen, die zuvor von ihren Wohnorten abgeschnitten waren, nun wieder möglich, dorthin zurückzukehren – auch wenn sie dort wahrscheinlich nur Zerstörung vorfinden werden.

Wochen der Wahrheit in Nahost: Neue Verhandlungen starten inmitten angespannter Stimmung

Durch den Rückzug der israelischen Armee aus dem sogenannten Netzarim-Korridor konnten tausende Palästinenser am Sonntag in ihre Wohnorte zurückkehren, von denen sie bis dahin abgeschnitten worden waren.

Verhandlungen über zweite Phase der Waffenruhe begonnen

Der Rückzug war eine ausgemachte Reaktion auf die Freilassung von drei weiteren israelischen Geiseln durch die Hamas am Samstag. Damit haben die Terroristen seit Beginn der Waffenruhe bereits 16 der vereinbarten 33 Geiseln freigelassen – für diesen Fall hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, neue Verhandlungen über eine mögliche Verlängerung der Waffenruhe aufzunehmen.

Die Waffenruhe
Seit dem 19. Jänner gilt zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas eine Waffenruhe. Die erste Phase, in der 33 israelische Geiseln gegen hunderte palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden, soll bis 2. März andauern

Die zweite Phase
Beide Seiten haben vereinbart, mit den Vermittlerstaaten Ägypten, Katar und den USA über eine mögliche zweite Phase zu verhandeln, sobald die Hälfte der 33 Geiseln freigelassen wurde. Das ist am Samstag passiert. In der zweiten Phase sollen alle verbliebenen Geiseln sowie hunderte weitere palästinensische Häftlinge freikommen

73 Geiseln
befinden sich weiterhin in der Gewalt der Hamas. Viele davon sind wohl bereits tot

Am Sonntag entsandte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deshalb Vertreter in die katarische Hauptstadt Doha, um dort eine zweite Phase mit weiteren Geiselfreilassungen auszuhandeln. Katar, Ägypten und die USA treten weiterhin als Vermittler zwischen Israel und der Hamas auf.

Großer Zorn in Israel

Doch die Stimmung ist aufgrund jüngster Ereignisse ausgesprochen angespannt. In Israel war man schockiert über den Zustand der drei Männer, die von der Hamas am Samstag vor ihrer Freilassung auf einer Bühne vorgeführt worden waren. 

Sie waren abgemagert und offensichtlich verstört, alle drei befänden sich in „gesundheitlich kritischem Zustand“, bescheinigten Ärzte des israelischen Militärs. Israels Außenminister Gideon Saar meinte gar: „Sie sehen aus wie Holocaust-Überlebende.“

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Eli Sharabi inmitten vermummter Hamas-Kämpfer. Der 52-Jährige ist eine der drei israelischen Geiseln, die am Samstag freigelassen wurden. Sie alle waren offensichtlich abgemagert in kritischem gesundheitlichem Zustand.

Netanjahu ordnete seinen Unterhändlern deshalb an, in Katar zunächst nur über „technische Einzelheiten“ zu verhandeln, und erklärte in einer Videobotschaft erneut: „Wir werden die Hamas eliminieren.“

Die Angehörigen der verbliebenen Geiseln kritisierten das am Sonntag in einem offenen Brief scharf: Gerade der Gesundheitszustand der am Samstag freigelassenen Männer mache deutlich, dass die Regierung alles unternehmen müsse, um die verbliebenen Geiseln so schnell wie möglich freizupressen.

Arabischer Krisengipfel

Besonders schlecht ist die Stimmung neuerdings bei arabischen Vermittlerstaaten, seit Netanjahu am vergangenen Mittwoch US-Präsident Donald Trump in Washington besucht hatte. 

Der hatte danach bekanntlich erklärt, die Nachbarstaaten sollten alle Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen, während die USA das Gebiet in eine „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln. Aussagen, die in der gesamten arabischen Welt einen Aufschrei nach sich zogen.

Am Rande des Treffens sorgte auch Netanjahu für einen Eklat: Als sich ein mitgereister israelischer TV-Journalist bei einer Interviewfrage versprach und statt von einem möglichen palästinensischen von einem „saudischen Staat“ sprach, witzelte Israels Premier, Saudi-Arabien könne ja alle Bewohner Gazas aufnehmen: „Die haben viel Land.“

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Benjamin Netanjahus Besuch bei US-Präsident Donald Trump (rechts) sorgte wegen der Äußerungen der beiden für heftige Kritik in der arabischen Welt.

Das saudische Königshaus fand das alles andere als lustig und ortete eine „extremistische Besatzer-Mentalität“. Netanjahu verstehe „die tiefen emotionalen, historischen und rechtlichen Bindungen der Palästinenser an ihr Land nicht“. Jordaniens Außenministerium nannte Netanjahu "aufhetzerisch", jenes der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bezeichnete die Aussagen als "verwerflich und provokativ".

Die ägyptische Regierung kündigte wegen der „ernsten Entwicklungen“ sogar einen Krisengipfel für arabische Staaten an, der am 27. Februar in Kairo stattfinden soll.

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