Wirrwarr um Saakaschwilis Grenzgang

Saakaschwili beim überqueren der Grenze inmitten von Unterstützern.
Der ausgebürgerte Erzfeind Poroschenkos sitzt in Lemberg - und ist dort anscheinend sicher.

Dass einer wie Michail Saakaschwili nicht einfach so ohne gültigen Pass an die Grenze fahren würde, um nach formeller Aufklärung durch einen Beamten am Absatz umzukehren, war klar. Wie sich die Sache um den einstigen Präsidenten Georgiens und ehemaligen Gouverneur der ukrainischen Region Odessa jedoch zuspitze, ist ohne Beispiel.

Stand vom Montag: Saakaschwili ist in Lemberg – die Grenze zur Ukraine hatte er am Vorabend umringt von Anhängern an allen Grenzkontrollen vorbei und gegen den Widerstand von Sondereinheiten überquert. Und in Lemberg scheint sich der 49-Jährige sichtbar sicher zu fühlen, gab Interviews, zeigte sich öffentlich.

Die Stadt regiert Andrij Sadowyi, Chef der Partei Samopomitsch, mit dem sich Saakaschwili in der Nacht auf Montag auch getroffen haben soll. Samopomitsch war einst in Koalition mit dem Block von Präsident Petro Poroschenko (BPP), ist jetzt aber in Opposition. Sadowyi gilt heute als entschiedener Gegner Poroschenkos. Und Feindschaft scheint zu einen.

Denn da können Poroschenko und Co. in Kiew noch so eindringlich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz pochen, Saakaschwili blieb in Lemberg – zunächst einmal zumindest – unangetastet. Seinen Pass will er an der Grenze verloren haben. Einen Anwalt ließ Saakaschwili einen Asylantrag überbringen. Vor dem Gesetz, so seine Argumentation, ist er damit legal im Land.

Wortkarg gab sich Poroschenko in einem knappen Statement zum Grenzgang seines einstigen Freundes. Er hatte ihn zum Gouverneur von Odessa und zum ukrainischen Staatsbürger gemacht – und er höchst persönlich war es, der ihm die Staatsbürgerschaft auch wieder entzog. Dazwischen liegt ein tiefes Zerwürfnis. Es sei ihm egal, wer Grenzen verletzte, Kämpfer im Osten oder Populisten im Westen, so Poroschenko. Er werde das Thema nicht politisch sondern ausschließlich rechtlich kommentieren. Dabei kann Poroschenko aber einen Umstand nicht ignorieren: Den nämlich, dass Sakaschwili bei seinem Grenzgang von zahlreichen ukrainischen Abgeordneten und Politikern begleitet worden war – darunter Erzfeinde wie Ex-Premierministerin Julia Timoschenko aber auch Mandatare des BPP. Auch aber, dass generell der Widerstand gegen Poroschenko auch in den Reihen seines BPP zunimmt. Vor allem aber: Dass sein Arm allem Anschein nach nicht bis nach Lemberg reicht.

Der Abgeordnete Sergeij Leschtschenko (BPP) war nicht dabei an der Grenze – sagt aber dennoch: Zugrunde liege dem ganzen Schlamassel der Plan Poroschenkos, politische Gegner vernichten zu wollen. Der gestürzte Präsident Janukowitsch habe Gegner inhaftiert, Poroschenko versuche sie ins Ausland zu drängen oder mit Schmutzkübelkampagnen zu vernichten. Einen Zerfall des BPP ortet Leschtschenko jedoch nicht.

Und Oleksij Skrypnyk, Abgeordneter der Samopomitsch, sagt: „Es war ein Fehler, Misha (Spitzname Saakaschwilis, Anm.) die Staatsbürgerschaft zu entziehen; es war ein Fehler, ihn nicht zurück ins Land zu lassen; die Grenze zu durchbrechen war aber ein Verbrechen. Die Konsequenz: Die ukrainische Regierung verliert die Kontrolle.“

Und genau das wird zu einer um sich greifenden Angst in der Ukraine, der es an Probleme und Instabilität nicht mangelt. Auf die Frage, was die nächsten Monate bringen werden, sagt eine junge Frau knapp: „Es wird turbulent werden.“ Auf die Frage, ob sich der eskalierende Streit zwischen Saakaschwili und Poroschenko denn auch gewaltsame Züge annehmen könnte, sagt sie: „Möglicherweise.“ Nachsatz: „Und all das nur, weil hier zwei Alphamännchen auf Gedeih und Verderb ihre Penislängen vergleichen müssen.“

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