"Wir müssen essen, wir wollen Brot!"

Sparprogramme und starke Preiserhöhungen schüren den Zorn auf die autoritäre ägyptische Regierung.

"Brot, Freiheit und Gerechtigkeit", hallte es durch Ägypten, bevor Langzeitdiktator Mubarak im Februar 2011 gestürzt wurde. Diese Woche erlebte das seither ohnehin unruhige Land am Nil eine neue Protestwelle. Sie richtete sich gegen Ex-General al-Sisi, der nach einem demokratischen Intermezzo seit 2013 als autoritärer Präsident regiert.

Und wieder entlud sich der Zorn am Brot, genauer gesagt der kürzlich drastisch verringerten Menge staatlich subventionierten Brotes. Abgegeben wurde dieses zudem nur noch an Inhaber von digitalen Bezugskarten, Inhaber der alten Papier-Karten gingen leer aus. Was die Korruption bei der Brotausgabe eindämmen sollte, ist eine Katastrophe für viele – immerhin sind 90 Prozent der 90 Millionen Ägypter von Lebensmittelhilfe abhängig. Am Dienstag skandierten deshalb Menschen in mehreren Städten, darunter Alexandria und Gizeh: "Wir müssen essen, wir wollen Brot!" Die alarmierte Regierung kündigte an, umgehend 100.000 weitere digitale Bezugskarten zu verteilen.

Wirtschaftskrise

Die Brotkrise ist ein Symptom der übergeordneten Krise der ägyptischen Wirtschaft, die wie die Politik seit Jahrzehnten vom Militär dominiert wird. Ausbleibende Investitionen nach dem Arabischen Frühling haben das Land geschwächt, nach Anschlägen brach der Tourismus ein. Dazu kommen Spar- und Strukturmaßnahmen, die Ägypten für eine IWF-Finanzspritze in Höhe von 12 Milliarden Dollar durchführen muss. Im November gab die Regierung den Kurs des Ägyptischen Pfunds frei, dieses verlor zeitweise die Hälfte seiner Kaufkraft. Im Februar stiegen die Lebensmittelpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 40 Prozent – der höchste Wert seit mehr als 30 Jahren.

Bereits im Herbst war ein Protest in Kairo durch die Medien gegangen: Babymilch war um die Hälfte teurer geworden. Eine Ausweitung des Protests wurde verhindert – durch die Polizei, aber auch durch eine Imagekampagne des Militärs: Lkw mit Milchpulver fuhren durchs Land. "Zahlen Sie nicht mehr als 30 Pfund (1,5 Euro)", stand auf ihnen – "mit den besten Wünschen der Streitkräfte."

Beobachtern zufolge behindert die Wirtschaftsmacht der Armee den Aufschwung. Der IWF fordert mehr Privatwirtschaft und mehr Transparenz, doch derzeit ist sowohl im Energie- als auch im Bau- und Lebensmittelsektor die Armee tonangebend. Sie kontrolliert die Weizeneinfuhr, die Lebensmittelmarken, betreibt Supermärkte, produziert Rüstungsgüter ebenso wie Nudeln und ist für die Medikamentenversorgung verantwortlich. Gesetzliche Kontrollen fehlen, zudem zahlt die großteils vom Staat und den USA finanzierte Armee keine Steuern. Es wird von Rücklagen in zweistelliger Milliardenhöhe gesprochen. Laut al-Sisi sind die Streitkräfte nur für zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. Dazu Jessica Noll von der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Experten gehen von weit mehr als dem Zehnfachen aus."

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