Viel Aufhebens um die Feierlichkeiten rund um Charles macht man im Städtchen Maidenhead nicht. Man ist zwar in Gehentfernung vom Schloss im Nachbarort Windsor, aber anders als dort macht sich der königliche Aufputz eher rar.
„Die paar Fähnchen“, sagt der Pensionist Richard und zeigt auf das tatsächlich etwas kümmerliche Dekor auf der Hauptstraße: „Das hätten sie sich gleich sparen können bei der Stadtverwaltung. Ist ja peinlich.“
Mit der örtlichen Politik sind die meisten hier merklich unzufrieden. Zwar erwähnt man stolz, dass Maidenhead Heimatort der ehemaligen Premierministerin Theresa May ist, aber ansonsten fühlt man sich eher im Stich gelassen wie in so vielen Orten in Großbritannien in diesen Krisentagen.
Nicht einmal Gurken
Die haben, das hört man hier vor allen Geschäften und Marktständen, in der Covid-Pandemie begonnen und seither nicht mehr aufgehört.
Die Kunden blieben aus, erzählt die Gemüsehändlerin Karin, und manchmal auch das Gemüse: „Da krieg’ ich nicht einmal frische Gurken herein, und wenn, dann zu einem absurden Preis. In England, dem Land der Gurken.“
Von viel zu hohen Gaspreisen und endlosen Wartezeiten im örtlichen Krankenhaus hört man viel hier und dass die Zufahrtsstraßen zu eng und löchrig seien: ein britisches Stimmungsbild am Ende eines „Winters des Missvergnügens“, wie man ihn frei nach Shakespeare genannt hat – und der scheint in einen übellaunigen Frühling überzugehen.
An dieser Krisenlaune ändert eine Krönung auch nicht viel. Vor allem wenn man sich – das ist der Stehsatz in Maidenhead – als „die armen Cousins von Windsor“ fühlt. Die Royals und die Politik würden sich eben um den berühmten Nachbarort kümmern.
Doch anders als viele Orte im heruntergewirtschafteten Norden Englands erlebt Maidenhead gerade einen Bauboom. Mit dem gerade einmal 40 Kilometer entfernten London ist man seit Neuestem durch die „Queen Elizabeth“-Schnellbahn verbunden.
Das hat auch die Immobilienentwickler angelockt, die jetzt gleich gegenüber dem Bahnhof einen ganzen Block mit turmhohen Wohnhäusern vollgestellt haben. Die wären ohnehin unleistbar, erzählen die Alteingesessenen und würden nur die Preise für Wohnungen nach oben treiben. Solche Wohnungen, die könnten sich nur Londoner Banker leisten.
"Britische Mode 2023"
Grund für ein bisschen mehr Optimismus, gebe es trotzdem, findet zumindest Dave, der in der örtlichen Pfarre Essen an Bedürftige austeilt: „Da wird sich einiges hier bewegen, mit den Menschen kommen Pubs und Geschäfte.“
Platz genug gäbe es für die jedenfalls. Schließlich sind es derzeit vor allem Hilfsorganisationen, die etwa Kleider aus zweiter Hand in die Auslagen hängen, die sonst ohnehin leer stehen würden. Ein Bild, das inzwischen die meisten High Streets - also Einkaufsstraßen - in Großbritannien prägt.
„So sieht britische Mode 2023 aus“, meint einer, den der neue Optimismus noch nicht gepackt hat. Dave will sich den trotzdem nicht nehmen lassen: Schließlich sei Maidenhead eine Gemeinde mit Geschichte - und außerdem im Speckgürtel der Hauptstadt. Da würden die Londoner schon draufkommen.
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