Wie Frankfurt die Briten-Banker lockt

Hofft auf neue Bewohner aus London für seine Glastürme: Frankfurt wirbt
Lobbyisten unterwegs in Sozialen Netzwerken. 20.000 Jobs könnten in Bewegung geraten.

Die Uhren in der Finanzwelt ticken anders. In einer Branche, in der Sekunden über Milliarden entscheiden, muss man schnell sein. Das weiß auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. "Wir wollen ja keine Leichenfledderer sein", sagte der CDU-Politiker noch fast entschuldigend am Montag – da war der Brexit gerade drei Tage alt. Tags darauf saß er im Flugzeug nach Brüssel, um sich mit Finanzmarktkommissar Dombrovskis zu treffen. Das Thema: Die Verlegung der europäischen Bankenaufsicht von London nach – ja, hoffentlich, Frankfurt.

Runter von der Insel

Die Stadt am Main mit ihren gut 700.000 Einwohnern hofft darauf, der große Nutznießer des Briten-Votums zu sein. Doch mit der Aufsichtsbehörde EBA wird es wohl nichts. Der Spiegel berichtet, dass Berlin dafür nicht werben werde – offenbar deswegen, weil Deutschland chancenlos ist. Dennoch überlegen viele Banken auf der Insel, doch lieber aufs Festland zu wechseln. Mit dem Ausscheiden Großbritanniens stehen viele internationale Institute vor dem Problem, dass ihre Geschäfte in London nicht mehr automatisch in der gesamten EU anerkannt werden.

Es geht um 20.000 Jobs

Rund 20.000 Jobs könnten so in Bewegung geraten, hat die Boston Consulting Group kurz in einer Befragung vor dem Referendum eruiert. Dabei geht es um Player wie die Deutsche Bank, die 8000 Angestellte in London hat, oder große US-Investmentbanken. Für sie steht die Stadt am Main laut der Umfrage durchaus hoch im Kurs – trotz Mitbewerbern wie Dublin oder Paris.

Das mag nicht nur daran liegen, dass die Stadt als EZB-Standort bereits jetzt der größte Finanzplatz auf dem Festland ist – auch das Liebeswerben der doch recht überschaubaren Hochhaus-Metropole ist ziemlich offensiv. "Natürlich waren wir vorbereitet an diesem Freitag", sagt Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, einem Lobby-Verband der Finanzbranche. Was er damit meint: Kaum war das Brexit-Ja da, hat man eine Hotline installiert, eine Social-Media-Kampagne gestartet und eine Website gelauncht, "um die Schlüssel-Entscheider in London zu erreichen", wie Väth sagt – man wollte den "Brexodus", wie der Banker-Run aus London im Netz genannt wird, von der ersten Sekunde Richtung Frankfurt lenken. Mit bis zu 10.000 Bankern, die in den kommenden fünf Jahren von London aus nach Frankfurt ziehen könnten, rechnet der Lobbyist. Die Immobilienbranche spricht sogar von 50.000 Menschen – schließlich kämen auch Angehörige.

Büro ja, Wohnung nein

Das sind Dimensionen, die man in "Mainhattan", wie die Frankfurter ihre Stadt gern selbstbewusst nennen, noch nicht kennt. "Nach dem Brexit brauchen wir einen neuen Stadtteil", sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann – für die Stadt ein kleines Dilemma: Während es zuhauf Büroflächen gibt, ist die Suche nach einer Wohnung in Frankfurt ein Spießrutenlauf. "Am Wohnungsmarkt gibt es wenig bis keinen Leerstand", sagt Väth. Das sieht man auch an den Preisen. Durchschnittlich 13 Euro Miete zahlt man für den Quadratmeter, nur in München ist es mehr. "Zusätzlicher Zuzug würde die Preise noch weiter in die Höhe treiben", lautet deshalb auch die Prognose von Carsten Schlabritz, dem Chef des Portals Immowelt.

Für die Optik im Finanzviertel könnte der Brexit hingegen ein Segen sein. 120.000 Quadratmeter, ein Zehntel des Gesamtbestandes, stehen derzeit in ganz Frankfurt leer – darunter auch immer wieder Hochhäuser, die die Skyline der Stadt so prägen. "Es passiert immer mal wieder, dass ein Turm geleert wird, der dann abgerissen oder grundsaniert wird, um dann neu vermietet zu werden", sagt Väth. Nichtsdestotrotz sind aber auch hier die Preise nicht gerade niedrig. Bis zu 36,50 Euro für den Quadratmeter zahlt man monatlich im Bankenviertel.

Günstiger als London

Natürlich, im Vergleich zu London, wo man mehr als 140 Euro pro Monat pro Quadratmeter zahlen kann, ist das alles nichts. Das ist es auch, worauf Frankfurt setzt – alles ist hier ein Stück kleiner und natürlich auch ein wenig deutscher. Auf der Homepage für interessierte Londoner Banker ist deshalb auch vorsorglich erklärt, was rätselhafte Abkürzungen wie "4 ZKDB" oder "MVZ" heißen könnte. Wer das nicht als "Vier Zimmer, Küche, Diele, Bad" und "Monatliche Vorauszahlung" entschlüsselt, kann noch immer auf den guten Willen der Frankfurter hoffen. Denn: "Sogar der Klempner spricht hier englisch", sagt Väth.

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