Abwarten, Teeblätter zupfen. Kein Getränk wird so mit Großbritannien in Verbindung gebracht wie der Tee. Das richtige Klima herrscht für den Anbau eigentlich nicht. In Cornwall gibt es aber doch einen Produzenten
Jonathon Jones beugt sich über den Busch, lässt die flache Hand über die Blätter gleiten, zückt sein Notizbuch. „Spannend!“ Seine Augen funkeln. „Ich war eine Woche weg, und da sind so viele Stämme in die Höhe geschossen. Und der kleine Mückenschwarm nur über der einen Pflanze. Das muss ich mit dem Biologen besprechen ...“
Sein Blick wandert über die sattgrünen Buschreihen, die den Hang parallel hinunterlaufen wie Weinreben. Doch in diesem Garten werden keine Trauben, sondern Blätter geerntet. Die weiche, oberste Schicht der Camellia sinensis, auch bekannt als: Teebaum. Jones leitet ein ungewöhnliches Projekt in Großbritannien.
Er führt Englands einzige Teemanufaktur.
Obwohl Tee in Großbritannien mit 36 Milliarden Tassen im Jahr nach Wasser das meistkonsumierte Getränk ist und durch Traditionen wie Afternoon Tea eng mit englischer Kultur verbunden ist, gab es bis vor einem Vierteljahrhundert keinen tatsächlich englischen Tee.
Die Pflanze benötigt (sub-)tropisches Wetter. Und so wird mit 2,4 Tonnen der meiste Tee in China gewonnen, in den Provinzen Yunnan, Guangdong und Zhejiang. Gefolgt von Indien, Kenia und Sri Lanka. Heiße Regionen, die den notwendigen Niederschlag aufweisen.
Mildes Mikroklima
Doch auch ein kleiner Landschaftsabschnitt in Cornwall, stellte sich vor 24 Jahren heraus, verfügt über das passende Mikroklima. Das Projekt begann, als Lord und Lady Falmouth vom kornischen Landsitz Tregothnan vor der Frage standen, wie Gelder für das Anwesen lukriert werden könnten. Das Haus einer Stiftung überschreiben, wie es viele tun, wollten sie nicht. Stattdessen sollte die spezielle Lage genutzt werden.
100 Millionen Tassen Tee trinken die Britan am Tag. Im Jahr kommen sie damit auf 36 Milliarden.
40 Prozent aller Teeblätter kommen aus China; gefolgt von Indien, Kenia und Sri Lanka. Cornwall produziert 0,02 des weltweiten Teebedarfs.
Im Jahr 2737 v. Chr. soll Kaiser Shen Nong den Tee erfunden haben. Während er im Garten Wasser kochte, sollen Blätter vom Teebaum hineingefallen sein.
Das Wetter in Cornwall ist an sich außerordentlich mild, doch in Tregothnan nahe der Hauptstadt Truro herrscht zusätzlich eine ungewöhnliche salzarme Luftfeuchtigkeit. Die kommt vom nahe gelegenen und mit 18 Metern äußerst tiefen Fluss Fal und verhindert Frost. „Manchmal friert es hier oben, am Anwesen, und näher am Fluss ist es ganze 5, 6 Grad wärmer. Und genau dieser Unterschied macht den Tee möglich“, sagt Greg Springer, kaufmännischer Direktor von Tregothnan, den der KURIER bei einer Tasse Earl Grey traf.
Earl Grey ist hier übrigens Familiengetränk. Lord Falmouth ist der achte Urenkel von Sir Charles Grey, jenem Premierminister, dem die Teesorte ihren Namen zu verdanken hat. Passende Verbindung für einen Teegarten.
Erste leichte Ernte
Und so besuchte Jonathon Jones, damals Hauptgärtner, nun Tee-Direktor, zwei Jahre lang so viele Plantagen wie er konnte, setzte behutsam erste Pflanzen und konnte 2005 28 Gramm ernten. Er lacht. „Ja, am Anfang sind uns acht von zehn Büschen eingegangen. Aber ich war begeistert. Weil das hieß, dass 20 Prozent aufgingen.“ Also wurde weiter experimentiert.
Der Teebaum, war schnell klar, mag es warm und geschützt. Sonnenlicht ist nicht essenziell. Aber unabdingbar ist der richtige, aufgelockerte Boden. Und die Frage: Was war da zuvor angepflanzt?
„Oft zum Beispiel Narzissen. Cornwall ist ja der größte Narzissen-Produzent Englands. Und Narzissen sind toll, außer man möchte etwas danach pflanzen. Auf den Narzissenfeldern haben wir nicht 80, sondern gleich 99 Prozent verloren.“ Jones schmunzelt. „Aber zum Glück gibt es Pflanzen, die bereiten den Boden wieder auf. Die Kamille. Oder“, er deutet auf ein braunes Feld am gegenüberliegenden Hang. „Buchweizenkraut ist genial.“
Heute werden 20.000 Pflanzen pro Jahr gesetzt. Aus den bereits etablierten 40 Hektar, werden so viele Teeblätter gewonnen, dass 3 Millionen Teebeutel abgepackt werden können. Das sind immerhin 0,02 Prozent der weltweiten Tee-Produktion.
Seit Kurzem gibt es bei der Ernte moderne Hilfe. „Das ist Teabot“, sagt Jonathan Jones und zeigt auf ein quadratisches flaches Gefährt mit hohem Boden. „Er sieht nicht sehr anspruchsvoll aus, aber er ist unglaublich. Er ist der welterste solarbetriebene Tee-Ernter.“ Zwei Jahre brauchte es für die Planung und Umsetzung. Nun passt er exakt über eine Buschreihe und kann pro Meile (1,6 km) eine Tonne Teeblätter einsammeln. „Wir stehen vor der speziellen Situation, das wir ein Traditionsprodukt anbauen, das für uns neu ist und wir so neue Dinge ausprobieren.“
Die Verarbeitung ist dann doch klassisch: Die gezupften Blätter werden verwelkt, gewalzt, oxidiert und getrocknet, schildert Jones, während es im alten Landrover über ruckelige Feldwege zum nächsten Garten geht.
Prinz Philipps Baum
Verkauft wird das Produkt in noblen Kaufhäusern wie Fortnum & Mason oder Luxushotels. Regelmäßig gibt es Sondereditionen, etwa „His Majestea“ anlässlich der Krönung. Ein Wortspiel über das der König schmunzeln musste, als Greg Springer ihm eine Dose überreichte. „Und ein bisschen gerührt war er, als ich ihm gesagt habe, dass wir Blätter vom Strauch verwendet haben, den sein Vater Prinz Philipp gepflanzt hat.“ Der frühere Prinzregent hat das Anwesen 2014 besucht.
„Es ist dieser Teebaum“, sagt Jonathon Jones und deutet auf einen buschigen Strauch vor einem üppigen Rhododendron.
Hier beugt er sich noch einmal nach unten. Um den Stein, der auf den royalen Teebaum hinweist, schießen hellgrüne Triebe aus dem Boden; seltene Setzlinge von Samen, die Vögel abgeworfen haben könnten. „Das habe ich noch nicht gesehen“, sagt er, fasziniert, einmal mehr von diesem kleinen Detail. „Das muss “, sagt er und lacht, „die gute Energie von Prinz Philipp sein.“
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