Wendepunkt? Freie Syrische Armee zieht aus Aleppo ab

Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Aleppo – in der Defensive und abgeschnitten von Versorgung
Um Einkesselung durch syrische Truppen zu entgehen, sollen 14.000 FSA-Kämpfer die Metropole verlassen haben.

Die Frontlinie verläuft quer durch die Altstadt – bisher zumindest. Laut der türkischen Zeitung Radikal steht der jahrelange Kampf um Aleppo vor einer Entscheidung. Kommandanten der Freien Syrischen Armee (FSA), darunter ihr Spitzenkommandant Jamal Marouf, hätten die Stadt verlassen. Rund 14.000 Kämpfer verließen gerade die Stadt, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf nicht namentlich genannte türkische Regierungsstellen. Auch die Kontrolle über den strategisch lebenswichtigen Grenzübergang Bab al-Hawa nördlich von Aleppo habe die FSA verloren. Dieser war zuletzt die einzig verbliebene Versorgungslinie der FSA im Norden. Würde sich all das bewahrheiten, stünde nicht nur der Kampf um die strategisch wichtige Metropole in Nordsyrien vor einem Ende – in der Summe wäre das das faktische Ende der FSA und damit ein zentraler Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg.

Wendepunkt? Freie Syrische Armee zieht aus Aleppo ab
Zuletzt hatte sich die Lage in Aleppo für die FSA massiv verschlechtert. Zwar blieb die Frontlinie in der Stadt unverändert – den Westen Aleppos hält seit Beginn der Kämpfe vor drei Jahren die syrische Armee, den Osten beherrschen anscheinend nach wie vor Rebellen. Aber vor allem im Umland der Stadt konnten die syrischen Streitkräfte zuletzt massiv an Boden gewinnen. Umkämpft war da vor allem der schmale und zunehmend bedrängte, aus dem Norden in die Stadt führende Versorgungskorridor. Und nicht zuletzt dürften Rivalitäten zwischen der FSA und anderen Rebellengruppen eskaliert sein. Vor allem zwischen der FSA und islamistischen Milizen wie der Al-Nusra-Front oder Ahrer al-Sham. Vor allem die Al-Nusra-Front soll dabei zunehmend den Kontakt zum Islamischen Staat (IS) suchen und um einen Deal mit dem IS bemüht sein. Al-Nusra und Al-Sham kontrollieren jetzt anscheinend den Übergang Bab al-Hawa. Dadurch, so wird die türkische Quelle zitiert, seien auch für die FSA bestimmte Waffenlieferungen westlicher Saaten in die Hand der beiden mit der El-Kaida verbündeten Gruppen gefallen. Unklar ist aber nach wie vor, ob es einen Deal zwischen IS und den beiden Dschihadistengruppen gibt.

Militärisch jedenfalls scheint der ungebremste Vormarsch des IS derzeit zumindest einmal zu Ende zu sein. Im Irak eroberten Armee-Einheiten die strategisch wichtige Raffinerie Baidschi zurück. Und auch aus Kobane melden die Verteidiger der Stadt Gebietsgewinne gegen den IS.

Laut der für gewöhnlich sehr gut informierten "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" haben die Terroristen des "Islamischen Staates" (IS) seit der Ausrufung eines Kalifats in Teilen Syriens und des Irak im Juni dieses Jahres 1500 Menschen getötet – teils durch Enthauptungen auch von Ausländern, teils durch Massenerschießungen. Bei mehr als der Hälfte der Ermordeten handelt es sich um Zivilisten. Im Irak wurde fast ein ganzer Stamm – 700 Menschen – ausgelöscht, weil er sich gegen den IS erhoben hatte.

Für US-Außenminister Kerry ist es ein "Konflikt zwischen Zivilisation und Barberei". Ohne Sieg gegen den IS gebe es "keine machbare Zukunft für den Nahen Osten".

Indes wurde bekannt, dass sich unter den IS-Extremisten, die auf Köpfungsvideos im Internet zu sehen sind, auch Europäer befinden. Ein Brite meint, seinen Sohn (20) auf einem Video erkannt zu haben. Auch ein Franzose (22), der sich nach einem Mauretanien-Aufenthalt radikalisiert hatte und 2013 nach Syrien reiste, soll an Enthauptungen beteiligt sein. Paris ermittelt jetzt gegen zwei Franzosen.

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