Welt-Umweltkonferenz und Artensterben: Darüber wird noch gestritten

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Es geht eh nur um die Zukunft unserer wichtigsten Lebensgrundlage: Was passiert gerade in Montreal?

„Mit unserem grenzenlosen Hunger auf ein unbegrenztes und ungleiches Wirtschaftswachstum ist die Menschheit zu einer Massenvernichtungswaffe geworden“, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Eröffnung der 15. Welt-Umweltkonferenz in Montreal. "Wir behandeln die Natur wie eine Toilette."

Was der höchste UNO-Politiker mit so drastischen Worten beschreibt, ist den meisten Menschen wohl selber schon aufgefallen. Es gibt auch bei uns viel weniger Insekten, viel weniger Vögel, viel weniger Arten. Das Umweltbundesamt hat dazu eine lange Liste der gefährdeten Arten, die Sie hier finden können.

Guterres kann sich dabei auf traurige wissenschaftliche Fakten stützen: Die Tier- und Pflanzenwelt an und Land und unter Wasser verschwindet in einer nie zuvor beobachteten Geschwindigkeit. Und es besteht kein Zweifel, dass die Menschheit, die in diesem Jahr die acht Milliardenmarke überschritten hat, dafür hauptverantwortlich ist.

In Montreal soll noch bis Montag (oder Dienstag) ein Abkommen ausverhandelt werden, das bis 2030 die Biodiversitätskrise und den Artenverlust nachhaltig einbremst. Das Bauchweh aller Verhandler war aber spürbar: 2010 wurden bei der 10. Artenschutzkonferenz in Nagoya, Präfektur Aichi, die 20 „Aichi-Ziele“ bis 2020 verabschiedet. Im September 2020 belegte der „5. Globale Bericht zur Lage der biologischen Diversität“, dass keines dieser Ziele vollständig erreicht werden konnte.

Diesmal geht es um 22 Ziele. Zentraler Punkt: 30 Prozent aller Land- und Meeresküstengebiete sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Biologen gehen davon aus, dass sich zahlreiche Arten dann tatsächlich erholen könnten, sofern die Schutzgebiete in Zonen reich an Fauna und Flore errichtet werden, und der Schutz auch dauerhaft gewährleistet wird. Klar ist aber auch: das kann nur ein Anfang sein.

Das Ganze wird dann GBF oder Global Biodiversity Framework heißen.

Damit die Ziele diesmal erreicht werden, ist eine der Bedingungen, dass jedes Land diese Ziele gesetzlich verankern muss. Und zwar bis zur nächsten Konferenz, der COP16 in der Türkei, 2024. Auf UN-Ebene können Beschlüsse nicht nur einstimmig beschlossen werden, es gibt auch keine Möglichkeit einer Verbindlichkeit, sprich: Die UNO hat keine Polizei die Regeln durchsetzen kann.

Einige weitere Punkte des Regelwerks sind zur Stunde noch wild umstritten: Einerseits das Ziel 18, in dem es um den Abbau schädlicher Subventionen geht. Also etwa wenn das Ausbringen von Pestiziden finanziell unterstützt wird. Schätzungen gehen davon aus, dass solche Subventionen weltweit etwa 1.300 Milliarden Dollar ausmachen.

Das ist insofern spannend, als ein Vorschlag ist, einen neuen Fonds einzurichten, damit ärmere und Schwellenstaaten Geld bekommen können, wenn sie etwa Palmölplantagen nicht bauen. Für viele Staaten, etwa Indonesien, ist das eine einfache Rechnung – was bringt eine Palmölplantage für die Volkswirtschaft, und was würde ich bekommen, wenn ich das nicht mache.

Geschätzt wird nämlich, dass die Zielerreichung rund 700 Milliarden Dollar jährlich kosten wird.

Dann die Rolle der Indigenen: Die machen nur fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, leben aber in Gebieten mit 80 Prozent der globalen Artenvielfalt – etwa im Amazonas. Bei der Artenschutzkonferenz treten sie als eigen gruppe auf, „International Indigenous Forum on Biodiversity (IIFB)“. Ihnen geht es zum Beispiel darum, dass sie nicht aus ihrem Land vertrieben werden, wenn ihre Regierung beschließt, ihr Land zu einer Schutzzone zu machen, und zwar mit dem (durchaus validen) Argument, dass sie nachhaltig mit der Natur leben und die Biodiversität nicht zerstören.

Ein letztes spannendes Problem: DSI oder Digital Sequence Information. Einfach erklärt geht es darum, dass Staaten (des globalen Südens) an Gewinnen beteiligt werden wollen, die aus Produkten kommen, die Gensequenzen von Tieren oder Pflanzen ihres Landes nützen.

Jetzt wird bei der Welt-Umweltkonferenz nur mehr auf Politikerebene verhandelt, was gut ist: Es geht nicht mehr um technische Fragen, sondern um politische Entscheidungen.

Übrigens sind die Europäer, konkret die EU, die wichtigsten Treiber für ein gutes Abkommen, zusammen mit jene mehr als hundert Staaten der HAC, der High Ambition Coalition. (Link)

Die USA sind übrigens nicht Teil des Abkommens, als eines der ganz wenigen Länder. Bei dieser Konferenz sind sie dennoch dabei, wenn nur als Beobachter. 

Bremser sind Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien, Indien, Indonesien oder Malaysien, aus unterschiedlichsten Gründen. Brasilien wird aber am öftesten als bad boy genannt, noch sind die Delegierten vom abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro am Werk. Der neu gewählte Präsident Lula übernimmt erst im kommenden Jahr die Amtsgeschäfte.

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Schmetterlinge

800 Nachfalterarten  – wie das Wiener Nachtpfauenauge – stehen auf der Roten Liste in Österreich.

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Der Luchs

In Österreich sind nur etwa 20 Tiere in den Alpen und im böhmisch-bayerischen Grenzraum zu finden.

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Das Große Mausohr

Nicht nur die Großen Mausohren, alle 28 Fledermausarten in Österreich stehen auf der Roten Liste.

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Die Europäische Sumpfschildkröte

Die Art ist in Österreich vom Aussterben bedroht. Die 1.500 Tiere kommen fast nur  in den Donauauen östlich von Wien vor – großteils im Nationalpark.

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Kegelfrüchtiges Leimkraut

Das Nelkengewächs ist in Österreich vom Aussterben bedroht, wie viele andere Pflanzenarten auch.

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