Weiter schwere Kämpfe im Sudan: Armee beschießt Stellungen der Paramilitärs

SUDAN-POLITICS-UNREST
Bisher wurden mindestens 59 Zivilisten sowie zahlreiche Kämpfer getötet. Rund 600 Menschen wurden verletzt.

Im Sudan scheint die Armee bei den heftigen Kämpfen mit paramilitärischen Kräften die Oberhand zu gewinnen. Die Armee habe Luftangriffe auf Kasernen und Stützpunkte der „Rapid Support Forces“ (RSF) geflogen, so Zeugen. Es sei ihr gelungen, die meisten dieser Einrichtungen zu zerstören. Die Armee habe auch die Kontrolle über einen Großteil des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Khartum zurückerobert. Bisher wurden mindestens 59 Zivilisten sowie zahlreiche Kämpfer getötet.

Das teilten Ärzte am Sonntag mit. Bei dem Machtkampf in dem nordostafrikanischen Land seien außerdem rund 600 Menschen verletzt worden. Ausgelöst wurde der am Samstag ausgebrochene Konflikt laut Beobachtern durch einen Streit über die Integration der RSF in das Militär als Teil des Übergangs zu einer zivilen Regierung.

In dem von schweren Wirtschaftsproblemen gebeutelten Sudan hatten Massenproteste 2019 zum Sturz des jahrzehntelangen Herrschers Omar al-Bashir geführt. Daran waren die Armee und die RSF beteiligt. Militär und zivile Gruppen einigten sich damals auf eine Übergangsregierung. Im Oktober 2021 kam es aber zu einem Putsch, bei dem das Militär die Macht vollständig übernahm. Seitdem wurde bei Protesten immer wieder der Rückzug des Militärs aus der Politik gefordert. RSF-Chef Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, hatte sich zuletzt an die Spitze einer Bewegung gestellt, die das Land nach eigenen Angaben in die Demokratie führen will.

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Hintergrund sind Spannungen zwischen Sudans De-Facto-Präsident und Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, auch Hemedti genannt, dem Anführer der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die RSF und das Militär haben seit dem Sturz des Diktators Omar al-Baschir 2019 faktisch die Macht im Land. Im Zuge des jüngst erneut verschobenen Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in die Streitkräfte eingegliedert werden, was zum Bruch zwischen den Verbündeten führte. RSF-Anführer Daglo warf Al-Burhan vor, sich an die Macht zu klammern.

Die Kämpfe brachen unerwartet am Samstagmorgen in der Hauptstadt Khartum aus. Die RSF behaupteten, sudanesische Soldaten seien in ihr Hauptquartier im Süden der Stadt einmarschiert. RSF-Kräfte griffen den Flughafen im Norden der Stadt sowie den Präsidentenpalast an. Die Armee setzte Kampfflugzeuge und Panzer ein. Am Sonntag konzentrierten sich die Kämpfe weiter auf das nahegelegene Hauptquartier der Armee und das Gebäude des staatlichen Rundfunks. Beide Seiten meldeten immer wieder Kampferfolge, die einander widersprachen. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhängig bestätigt werden.

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Auch in anderen Teilen des Landes wie in den Provinzen Darfur und Nord-Kordofan soll es zu Kämpfen gekommen sein. Schwere Gefechte wurden auch aus der Stadt Merowe im Norden des Landes gemeldet.

Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am Sonntagmorgen per Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer zu beklagen und Dutzende getötete Soldaten. Außerdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten. Auch drei sudanesische Mitarbeiter des UN-Welternährungsprogramm (WFP) wurden getötet. Die sudanesischen Streitkräfte stimmten am Nachmittag einem Vorschlag der UN zu, ab 16.00 Uhr Ortszeit für drei Stunden einen humanitären Korridor zu schaffen, um Hilfskräften Zugang zu Toten und Verletzten zu gewähren. Die Vereinbarung bestehe allerdings nur solange sich auch die RSF an die Abmachung halte, teilte das Generalkommando der Streitkräfte mit.

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Die Situation löste große internationale Bemühungen aus, die Konfliktparteien zu einem Ende der Gewalt zu bewegen. Der UN-Sicherheitsrat forderte in seltener Einigkeit von den Kontrahenten, das Blutvergießen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen will am Montag über die Lage sprechen.

Mehrere wichtige regionale Organisationen trafen sich am Sonntag zu Krisensitzungen. Die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens forderten ein Ende der Gewalt und die Aufnahme von Verhandlungen im Land. Riad und Abu Dhabi unterhalten gute Kontakte sowohl zu Al-Burhan als auch zu Daglo. Kämpfer der sudanesischen Armee sowie der RSF unterstützen das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.

Sudans Nachbarland Ägypten, das ebenfalls enge Verbindungen zu Al-Burhan hat, soll unbestätigten Berichten zufolge bereits hinter den Kulissen Gespräche führen, um die Lage zu beruhigen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bot am Sonntag auch offiziell an, zu vermitteln.

Smoke rises near Halfaya Bridge between Omdurman and Khartoum North

Ein Ende der Gewalt forderten am Wochenende auch der Papst, UN-Generalsekretär António Guterres, US-Außenminister Antony Blinken, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Außenministerin Annalena Baerbock.

Die Rhetorik der Kontrahenten machte hingegen wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung: Al-Burhan warf den RSF am Samstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira die Angriffe vor. RSF-Anführer Daglo forderte dagegen, Al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen „oder wie ein Hund sterben“, sagte Daglo zu Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hieß, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Nach dem Sturz von Machthaber Al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber Al-Burhan, der Generalinspekteur der Streitkräfte. Daglo wurde später Al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.

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