Was Sie über die US-Wahlen wissen müssen

Wegen Corona rechnen US-Behörden mit vielen Briefwählern
Warum wird immer dienstags gewählt, wer sind die Wahlmänner- und Frauen – und welche Wahl steht am Dienstag noch an?

US-Wahlen finden historisch bedingt stets an einem Dienstag statt: Seit 1845 ist der Wahltag gesetzlich nach dem ersten Montag im November festgelegt. Es sollte ein Arbeitstag sein und kein Sonntag (wegen Kirchenbesuch). Man wollte vor allem auch den Bauern entgegenkommen, die zu diesem Zeitpunkt mit der Ernte fertig waren und Zeit fürs Wählen bzw. die durchaus längere Anreise in eines der Wahllokale hatten.

Wie funktioniert das Wahlsystem?

Kompliziert ist für manch einen bis heute das Wahlsystem: Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums („Electoral College“), das dann den Präsidenten wählt. Dieses Kollegium besteht aus 538 Wahlmännern und -frauen (Parteifunktionäre bzw. gewählte Politiker). Ihre Zahl richtet sich nach der Größe des Bundesstaates. Die Wahlleute stimmen dann 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, dieses Jahr am 14. Dezember. Sie richten sich dabei nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat – in vielen Staaten würde den Wahlmännern und Wahlfrauen sonst eine Strafe drohen. Um Präsident zu werden, braucht es eine absolute Mehrheit von 270 Stimmen. Es gilt das Winner-takes-it-all-Prinzip, wer die meisten Stimmen im jeweiligen Staat holt, bekommt dort alle Wahlleute. Ein Beispiel: Sollte Trump Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen, bekäme er die Stimmen der 29 Wahlleute des Bundesstaats, Biden ginge leer aus.

Wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat die meisten Direktstimmen bekommt, die Wahl aber verliert. 2016 stimmten fast drei Millionen mehr Amerikaner für Hillary Clinton, Donald Trump konnte sich aber durch die von ihm gewonnenen Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute sichern.

Welche Bundesstaaten stehen besonders im Fokus?

Mit 29 Wahlleuten ist Florida einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Dahinter folgen die traditionellen „Battleground States“ oder „Swing States“, also jene Bundesstaaten, die mal für einen Republikaner und mal für einen Demokraten stimmen. Dazu gehören Pennsylvania (20 Stimmen), Ohio (18), Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Laut aktuellen Umfragen könnte es auch in Georgia (16), North Carolina (15) und Arizona (11) zu einem offenen Rennen kommen.

Wann fängt die Wahl an bzw. wann endet sie?

Briefwähler können schon Wochen vor der Wahl abstimmen. Zudem bieten die meisten Bundesstaaten vorab auch bereits die Möglichkeit einer Abstimmung in Wahllokalen an. 2016 waren auf diesen beiden Wegen rund 40 Prozent der Stimmen schon vor dem Wahltag abgegeben worden. Dieses Jahr hatten eine Woche vor der Wahl Forschern zufolge bereits rund 60 Millionen Amerikaner abgestimmt. Am Tag der Abstimmung selbst werden die Wahllokale in den verschiedenen Zeitzonen jeweils vom Morgen bis in den Abend geöffnet sein, also nach mitteleuropäischer Zeit (MEZ) bis zum frühen Mittwochmorgen.

Hawaii und Alaska sind die Schlusslichter. Die Inselbewohner können ihre Stimme bis 6.00 Uhr MEZ abgeben. Auch in weiten Teilen Alaskas sind die Wahllokale bis 6.00 Uhr MEZ am Mittwochmorgen geöffnet, auf den Aleuten noch eine Stunde länger, bis 7.00 Uhr.

Wann ist das Ergebnis bekannt?

Bei den meisten vergangenen Präsidentenwahlen stand der Sieger noch in der Wahlnacht fest. Experten gehen aber davon aus, dass in diesem Jahr wegen der Pandemie wesentlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen werden. Daher könnte sich die Auszählung in einigen Bundesstaaten, darunter Pennsylvania, um einige Tage verzögern.

Zudem wollen Umfragen zufolge mehr Demokraten als Republikaner die Briefwahl nutzen. Daher könnten die ersten Auszählungsergebnisse aus den Wahllokalen mancherorts Trump in Führung sehen, die Auszählung der Briefwahlunterlagen letztlich aber Biden zum Sieg verhelfen. In einzelnen Bundesstaaten könnte es auch Klagen und Forderungen nach einer Neuauszählung geben. Im Jahr 2000 etwa stand das Ergebnis im Bundesstaat Florida, das letztlich über die Präsidentenwahl entschied, erst gut einen Monat nach der Wahl fest. Der Rechtsstreit ging bis vor das Oberste Gericht in Washington.

Welche Rolle spielt die Briefwahl?

Die Behörden rechnen wegen Corona mit einer massiven Zunahme der Briefwahl. Zudem findet die Wahl in den USA immer an einem normalen Arbeitstag statt. Deshalb stimmte zum Beispiel 2016 bereits fast ein Viertel der Wähler per Post ab. Das waren gut 33 Millionen Stimmen. Viele Bundesstaaten haben es wegen der Pandemie einfacher gemacht oder Fristen verlängert, um die Briefwahl zu ermöglichen. Manche Staaten wie zum Beispiel Kalifornien, Ohio und New Jersey schicken die Wahlunterlagen sogar unaufgefordert an die Bürger. In diesem Jahr könnte Experten zufolge jede zweite Stimme per Post kommen.

Worüber wird am Dienstag noch abgestimmt?

Parallel zur Präsidentschaftswahl wird am Dienstag ein neues Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats gewählt. Und ohne eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses kann ein Präsident innenpolitisch wenig machen: Das Parlament hat die Budgethoheit und das Vorschlagsrecht für Gesetze. Der Senat muss bei der Besetzung von Regierungsämtern und Ernennung von Bundes- und Verfassungsrichtern zustimmen.

Für die Republikaner könnte es Berichten nach schwierig werden, die Mehrheit im Senat zu halten. Derzeit stellen sie 53 der 100 Mitglieder, um 35 wird heute gekämpft. Sollten dort die Demokraten siegen und Joe Biden Präsident werden, könnte er so durchregieren.

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