Warum Michelangelos David gerade eine Schönheitskur erhält
Michelangelos 519 Jahre altes Meisterwerk wurde schon oft fehlerhaft restauriert. Deshalb putzt man den nackten Männerkörper jetzt alle zwei Monate – aber nur ganz zart.
Florenz, Montagmorgen. Die Galleria dell’Accademia ist, wie alle italienischen Museen, an diesem Tag geschlossen und deswegen menschenleer. Oder genauer gesagt: fast menschenleer. Der Eingang in die Galleria gibt den Blick auf David, Michelangelos atemberaubende Monumentalstatue, frei. Und von Weitem sieht es so aus, als würde dem Jüngling gerade jemand auf der Nase herumtanzen.
Es ist Davids Wellnesstag. Alle zwei Monate wird die Statue einer gründlichen Reinigung unterzogen, von Kopf bis Fuß. Im Fachjargon spricht man von einer die „Spolveratura“, das Wort kommt von „Polvere“, Staub. Davids persönliche Kosmetikerin ist die Restauratorin Eleonora Pucci.
Die 38-jährige gebürtige Florentinerin ist Chef-Restauratorin in der Galleria. Bei der Arbeit trägt sie einen weißen Overall, einen Helm und schultert einen kleinen Staubsauger. Mit dem saugt sie vorsichtig den mit Pinseln von der Statue entfernten Staub auf.
Patient David ist 5,17 Meter groß
Bei ihrer Arbeit muss sie so vorsichtig vorgehen, wie sie nur kann. Denn David, Michelangelos aus einem einzigen Marmorstück gefertigtes Meisterwerk, ist trotz seiner riesenhaften Größe von 5,17 Metern sehr fragil: Nicht nur, dass er ohnehin aus mangelhaftem Marmor gefertigt wurde, im 16. Jahrhundert brachen Vandalen ihm auch noch einen Arm ab.
1843 wurde er mit Salzsäure gesäubert, der Schaden danach war groß. 2002 reinigten Restauratoren den 5560-Kilo-Koloss mit feuchten Tüchern, was sich nachträglich auch als falsch erwies.
Pucci, die schon als Kind Restauratorin werden wollte, hat nie zu träumen gewagt, dass ihr eines Tages die David-Statue anvertraut werden würde, sagt sie. An die fünf bis sechs Stunden dauert die Schönheitskur, langweilig wird ihr dabei aber nie. Es heißt, sie würde mit David auch sprechen, mittlerweile gehört er ja zu ihrem Leben.
„Ich frage ihn zum Beispiel, ob er sich von den Menschen verstanden fühlt“, erzählt sie. Immer wieder zückt Pucci auch einen Fotoapparat und macht Bilder von Teilen der Statue. „Die Bilder dienen der sogenannten Patientenakte“, erklärt Pucci. „Diese wird im Computer gespeichert und ermöglicht sowohl Vergleiche mit vorhergehenden Bildern sowie anhand der Vergrößerung am Bildschirm zu kontrollieren, dass nichts übersehen wurde.“
"Es nisten sich immer wieder kleine Spinnen ein"
Pucci arbeitet von einem Gerüst aus, das drei Etagen hat. Die Arbeit beginnt auf Augenhöhe mit David. Sein Lockenkopf erfordert viel Aufmerksamkeit, weil sich der Staub von dort schwerer entfernen lässt.
„Außerdem nisten sich dort immer wieder kleine Spinnen ein“, erzählt die Restauratorin. Auf der mittleren Etage werden dann Rumpf und Becken gereinigt, und auf der niedrigsten die muskulösen Beine bis hinunter zu den Zehen, wobei Pediküre und Maniküre auch anstrengend sind.
„Es ist wichtig, vorbeugend zu agieren“, sagt Direktorin Cecilie Hollberg dem KURIER. Sie leitet die Accademia seit 2015, hat aus dem verstaubten Museum ein modernes gemacht. Die Besucher danken es ihr: 1,5 Millionen kommen pro Jahr, um – unter anderem – den entstaubten David zu sehen.
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