„Bestimmte Fraktionen, die früher innerhalb der SVP aktiv waren, artikulieren sich nun außerhalb. Die Partei schafft es nicht mehr, alle Interessen unter einen Hut zu bringen.“
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Um den Anspruch der ethischen Sammelpartei nicht zu verlieren, schürte die SVP im Wahlkampf die Angst vor der „Instabilität“ und dem „Chaos“.
In die gleiche Kerbe schlägt auch der Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) kurz vor der Wahl in Bozen: „Wir wollen die Regierbarkeit des Landes gewährleisten. Die Geschlossenheit ist die Stärke Südtirols“, sagt er. Gemeint ist damit nicht mehr nur die Geschlossenheit in der Vertretung gegenüber der Regierung in Rom, sondern auch die Geschlossenheit innerhalb der deutschsprachigen Bevölkerung, so Politologe Pallaver.
Wenig Geschlossenheit innerhalb der Partei
Geschlossenheit ist aber etwas, das die SVP selbst zuletzt nicht gerade ausgezeichnet hat. Geprägt von Konflikten und Skandalen hat die Partei ein „deplorables Bild“ gezeigt, sagt Politologe Pallaver. Die Partei ist gespalten: In einen sozialliberalen Flügel rund um den Landeshauptmann und einen sozialkonservativen Flügel, der viele seiner Vorhaben blockiert. Dass es diese Konflikte gibt, „muss man anerkennen“, sagt auch der Landeshauptmann. Und dennoch: „Die Sammelpartei ist die Antwort auf eine immer weiter auseinanderdriftende Gesellschaft.“
Eines der Themen, das Südtirol zuletzt spaltete, war die Migration. „Der Minderheitenschutz und die Autonomie sind kaum noch Thema. An die Stelle der Majorisierung durch die Italiener ist das Thema Migration getreten“, sagt Pallaver. Und auf diesem Gebiet, vor allem in Bezug auf die Sicherheit, sind sich die inhaltlichen Ansätze vieler Parteien sehr ähnlich – seien es deutsche wie italienische.
Mitläufereffekt bei italienischen Parteien
Apropos italienische Parteien: „Ihre Wähler orientieren sich an den Regierungsparteien in Rom, wie Mitläufer“, sagt Pallaver. War es bei der vergangenen Wahl die Lega, die es sogar in die Koalition mit der SVP geschafft hat, dürfte heuer die Partei von Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia, Zuwächse erfahren.
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Eine Gemeinde, in der sich das zeigen könnte, ist Branzoll. Sie ist eine jener vier Gemeinden, in denen die Lega 2018 sogar zur stärksten Kraft wurde. Im Café „Manfredo“ spricht derzeit aber niemand davon. Im Gegenteil: Viele wollen gar nicht wählen, weil sie „enttäuscht“ sind von der Politik. Ein Herr will „aus Protest“ die Grünen wählen, denen der Politologe und die Umfragen nur ein kleines Plus prognostizieren. Eine der Kellnerinnen im Café hat gar nicht mitbekommen, dass Wahlen sind.
Koalition mit zwei italienischen Rechten möglich
So richtig glauben will die Lega das nicht. Mit einem Wahlstand kämpft sie weiter um die Gemeinde. Und ihre Chancen, wieder in die Regierung zu kommen, stehen nicht schlecht. „Es ist denkbar, dass die SVP mit den Fratelli und der Lega koaliert“, sagt Pallaver. Das Autonomiestatut sieht schließlich vor, dass die deutsche und die italienische Sprachgruppe in der Regierung vertreten sind. Eine italienische Linke gibt es aber so gut wie nicht und mit einer deutschsprachigen Partei als Koalitionspartner würde die SVP ihren Alleinvertretungsanspruch verlieren.
Dass die SVP wieder stärkste Kraft im Land wird, ist kaum zu bezweifeln. Wie groß der Stimmenverlust wird, ist eher die Frage.
25 Prozent werden der Wahl fern bleiben
Entscheiden werden das die Wählerinnen und Wähler. „Rund 25 Prozent scheinen nicht zur Wahl zu gehen“, sagt Pallaver. Neu ist das nicht. Auch in vergangenen Wahljahren verhielt sich das so. Die Wahlmüdigkeit eben.
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