VW-Nähe bringt SPD ins Trudeln
Dass Stephan Weil von einer "Intrige" spricht, als er vor die Kameras tritt, kann man ihm kaum verübeln. Gerade mal drei Tage ist es her, dass der niedersächsische Ministerpräsident seine hauchdünne rot-grüne Mehrheit im Landtag verloren hat, weil eine Grün-Mandatarin zur CDU übergelaufen ist; und jetzt die nächste Ohrfeige: Mitten in die Bemühungen um einen Neuwahltermin platzt die Nachricht, dass der SPD-Politiker eine Rede zum VW-Skandal redigieren hat lassen – und zwar vom Autokonzern selbst.
Die Enthüllung hat es in sich – nicht nur in Niedersachsen, sondern im ganzen Land. Die SPD, im Bundestagswahlkampf ohnehin angeschlagen, dümpelt bei 23 Prozent; dass sich einer ihrer Spitzenpolitiker von den Autobauern ganze Passagen einer Regierunsgerklärung hat abändern lassen, und das auch noch am Höhepunkt der Abgasaffäre, wird diese Werte sicher nicht steigen lassen. Problematisch dabei ist nämlich nicht nur, was geändert wurde – aus "bewusst manipuliert" etwa wurde nur "manipuliert", in einem anderen Satz wurde Volkswagen herausgestrichen (siehe Faksimile) –, sondern dass man überhaupt etwas geändert hat: Weil ist, da das Land Niedersachsen mit 20 Prozent an VW beteiligt ist, auch Aufsichtsratschef des Konzerns – er hat also nicht nur politische Verantwortung, sondern hat auch eine Kontrollfunktion.
"Üblicher Vorgang"
Weils Rolle als "Diener zweier Herren" ist es auch, die die anderen Parteien anprangern. Von "Gemauschel" spricht die Union, die Konsequenzen fordert – von Weil selbst ebenso wie vom Land, das seine Anteile abstoßen solle. Der Autokonzern und Weil selbst sehen darin allerdings kein Problem. Das Abklären kritischer Texte sei ein "üblicher Vorgang", heißt es; schließlich habe man sich juristisch absichern wollen. Die Rede hielt Weil, als die US-Behörden gegen VW ermittelten; ein falsches Wort hätte da tatsächlich fatale Auswirkungen haben können.
Vorwärtsverteidigung
Nur: All dies hätte Weil auch problemlos von Juristen im eigenen Haus abklären lassen können. Dies einzugestehen, käme jedoch einer Rücktrittserklärung des Ministerpräsidenten gleich, und die würde SPD-Chef Martin Schulz noch mehr beschädigen, als der jetzt schwelende Skandal. Schon im Frühjahr musste sich die SPD Kritik an ihrem Umgang mit dem Autobauer gefallen lassen, weil eine VW-Managerin nach nur 13 Monaten Tätigkeit 14 Millionen Euro Abfindung kassierte – sie war eine ehemalige SPD-Politikerin.
Insofern verwundert es wenig, dass die SPD nun auf Angriff statt auf Verteidigung setzt. Nicht nur Weil, auch die Bundespartei spricht davon, dass die CDU ihre Finger im Spiel habe – sie habe der Grün-Politikerin Elke Twesten ein unmoralisches Angebot gemacht, um die rot-grüne Regierung ins Wanken zu bringen. Man kenne das aus Niedersachsen, da seien schon in den 1960ern Stimmen gekauft worden, ließ etwa Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel ausrichten; gefolgt von einer Verteidigung seines Parteikollegen: "Ich hätte mich genauso verhalten", sagte Gabriel. Er war selbst bis 2003 niedersächsischer Ministerpräsident – und hatte nach seiner Abwahl einen Beratervertrag mit VW.
Freilich: Dass der Sturz der Regierung Weil, die bisher recht geräuschlos regierte und auch den Dieselskandal 2015 ohne nennenswerte Blessuren überstand, ausgerechnet ein paar Tage nach dem Diesel-Gipfel kommt, scheint tatsächlich ein bemerkenswerter Zufall. In der SPD lebte nämlich die Hoffnung, die mageren Ergebnisse des Treffens würden der Union und Verkehrsminister Alexander Dobrindt schaden. Sie hat sich ins Gegenteil verkehrt: Die Dieselaffäre scheint nun SPD-Chef Martin Schulz mehr zu beschädigen als die Union, obwohl die BMW und Daimler ebenso nahe steht wie die SPD Volkswagen.
Hausieren will man mit dieser Information aber nicht gehen. Kanzlerin Angela Merkel, die derzeit im Urlaub weilt, ließ darum über ihre Sprecherin nur kurz und knapp ausrichten, sie halte es anders als die SPD – ihre Reden würden niemandem vorab zur "Begutachtung vorgelegt werden".
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