Anschlag auf Moschee: "Ganz klar Attacke auf Muslime"
- In der Nacht auf Montag, um 1.20 Uhr (MEZ), raste ein Kleintransporter in London in eine Fußgängergruppe. Mehrere Menschen wurden verletzt, ein Mann kam ums Leben. Noch ist nicht sicher, ob der Tod auch wirklich durch den Lieferwagen verursacht wurde.
- Bei den Opfern handelt es sich um die Besucher einer Moschee; sie kamen vom Nachtgebet.
- Der Fahrer des Wagens, wurde festgenommen. Laut Polizei handelte es sich "ganz klar um eine Attacke auf Muslime". Laut einem Augenzeugenbericht soll der Täter gerufen haben, er wolle "alle Muslime umbringen".
- Premierministerin Theresa May sprach von einem "potenziellen Terroranschlag". Am frühen Montagvormittag dann auch die offizielle Bestätigung: Die Polizei behandelt den Zwischenfall als Terroranschlag. Es ist der vierte innerhalb von nur drei Monaten.
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Klar ist inzwischen: Bei dem blutigen Zwischenfall im Londoner Stadtteil Finsbury Park ist ein Mann getötet worden, acht Verletzte mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Ob der Tod durch den Lieferwagen selbst verursacht wurde, ist noch Gegenstand von Untersuchungen - nach Angaben der Polizei brauchte er schon vorher Erste Hilfe.
Auch das Motiv des 47-jährigen Fahrers ist nun etwas klarer. Der Angriff war "ganz klar eine Attacke auf Muslime". Das sagte Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick am Montag in London. "Wir nehmen jede Art von Hasskriminalität sehr ernst", sagte die Londoner Polizeichefin weiter.
Premierministerin Theresa May sprach am frühen Montagmorgen noch von einem "potenziellen Terroranschlag". Im Laufe des Vormittags wurde die traurige Ahnung dann offiziell: Alle Hinweist deuten auf einen Terroranschlag hin, meldete die Polizei. Es ist der vierte Anschlag, der Großbritannien innerhalb von nur drei Monaten erschüttert. Diesmal aber wohl unter umgekehrten Vorzeichen.
Kurz nach Mitternacht
Um kurz nach Mitternacht (01.20 Uhr MESZ) ging bei der Polizei der erste Notruf ein. "Zusammenstoß zwischen einem Fahrzeug und Fußgängern", meldete der Anrufer, wie die Polizei später mitteilen sollte. Hinweise auf einen möglichen Anschlag gab es zunächst nicht.
"Ich will alle Muslime umbringen"
Nach Polizeiangaben gibt es bisher keine Erkenntnisse zu weiteren Verdächtigen. Medienberichten zufolge wollen Augenzeugen hingegen zwei Männer gesehen haben, die aus dem Minivan ausgestiegen seien, nachdem dieser in die Menschengruppe gefahren war. Auch von einem Messerangriff war in Medien zu lesen. Bestätigt wurden diese Berichte nicht, ebensowenig wie die Aussage eines Augenzeugen,
Bestätigt ist: Der Vorfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe zu einem muslimischen Gemeinschaftshaus im Stadtteil Finsbury Park. Bei den Opfern handelt es sich durchwegs um Muslime, die nach dem Ende des Nachtgebets auf die Straße gegangen waren.
Am späten Nachmittag wurde laut offiziellen Angaben eine Wohnung in der Region Cardiff in Verbindung mit dem Vorfall durchsucht. Der bei dem Anschlag benutzte Lieferwagen stammt aus Wales. Er wurde von einer Firma in Pontyclun in der Nähe der walisischen Hauptstadt ausgeliehen, wie der Minister für Wales, Alun Cairns, mitgeteilt hatte. Die Polizei in Südwales arbeite mit den Ermittlern von Scotland Yard zusammen, hieß es.
"Kranker Versuch, unsere Freiheiten zu stören"
Die britische Premierministerin Theresa May reagiert vorsichtig, sprach am frühen Montagmorgen zunächst nur von einem "schrecklichen Zwischenfall" und einem "potenziellen Terroranschlag". Erst im Laufe des Vormittags verschärfte sie ihre Wortwahl. Der Terroranschlag sei ein kranker Versuch, die Freiheiten zu zerstören, die Großbritannien einten, so May. Das Land werde sich durch die Tat aber nicht spalten lassen. "Hass und Böses dieser Art werden sich nicht durchsetzen."
Londons Bürgermeister Sadiq Khan nannte den Angriff einen "schrecklichen Terroranschlag". Das Ziel der vorsätzlichen Tat seien "unschuldige Londoner" gewesen, von denen viele gerade "ihre Gebete im heiligen Monat Ramadan beendet hatten", sagte Khan. Auch David Cameron meldete sich zu Wort. Das sei eine "entsetzliche terroristischen Attacke auf friedlich betende Muslime" gewesen, schrieb der Ex-Premier auf Twitter.
Mohammed Kozbar, der Vorsitzende der Moschee, sagte der Boulevard-Zeitung The Sun: "Wer immer das getan hat, wollte Menschen verletzen. Das ist eine Terrorattacke." Das Fahrzeug, das Passanten rammte, soll dem Sun-Bericht zufolge ein gemieteter weißer Lieferwagen sein. Ein solches Fahrzeug war auch auf diversen Bildern vom Ort des Geschehens zu sehen.
Ehemals Anlaufstelle für Islamisten
Die Moschee war früher als eine Anlaufstelle für Islamisten bekannt. Als Imam der Moschee von Finsbury Park hatte der in einem US-Terrorprozess zu lebenslanger Haft verurteilte Abu Hamza gewirkt. Hamza hielt in dem Gotteshaus in den neunziger Jahren radikalislamische und antiamerikanische Brandreden. Die neue Moschee-Leitung hatte in der Vergangenheit Drohungen erhalten.
Eine Augenzeugin, Cynthia Vanzella, schilderte bei Twitter ihre Eindrücke vom Unglücksort: "Schrecklich Polizisten zu sehen, die Herzmassagen bei am Boden liegenden Menschen machen, verzweifelt hoffend, sie zu retten." "Es gibt viele Menschen, die weinen und viele Verletzte", sagte ein anderer Zeuge, David Robinson. "Es scheint so, als sei die Moschee das Ziel gewesen."
Anschlagsserie
Großbritannien wurde zuletzt von drei Anschlägen erschüttert. Am 22. März war ein Mann mit einem Auto auf der Westminster Bridge in eine Menschenmenge gefahren, bevor er einen vor dem Parlament stationierten Polizisten mit einem Messer tötete. Insgesamt fünf Menschen wurden bei dem Anschlag getötet. Der Angreifer wurde erschossen.
Am 22. Mai sprengte sich ein Attentäter bei einem Konzert der Popsängerin Ariana Grande in Manchester in die Luft. 22 Menschen wurden getötet und dutzende verletzt. Am 3. Juni rasten drei Männer mit einem Kleinlaster in Fußgänger auf der London Bridge in der britischen Hauptstadt. Anschließend griffen sie Passenten im Viertel um den Borough Market mit Messern an. Acht Menschen wurden getötet. Die Polizei erschoss die Angreifer.
In London hat heute Nacht ein offenbar weißer Engländer absichtlich eine Gruppe Muslime, die gerade eine Moschee verließen, mit einem Klein-Lkw gerammt. Es gab einen Toten und mehrere Verletzte. Obwohl über die Hintergründe noch wenig bekannt ist, spricht die Polizei von einem Terroranschlag, der noch dazu nach dem gleichen Muster wie die Attacken vor wenigen Wochen in London, also mit einem Lkw als Waffe, durchgeführt wurde.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Muslime selbst zum Opfer eines Anschlags dieser Größenordnung werden. Schon in den vergangenen Monaten hat sich die Zahl der Übergriffe dramatisch erhöht. Wer immer hinter dieser Attacke steckt, die islamistischen Massenmörder des IS haben damit ein weiteres Ziel ihrer perfiden Strategie erreicht. Ihr blutiger Terror, der sich seit mehr als zwei Jahren quer durch Europa zieht, hat offenbar einen gezielten Gegenschlag provoziert, der die Spaltung zwischen Muslimen und Europäern noch weiter vorantreiben wird. Genau das wollen die Terroristen, und genau das muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates verhindert werden. Alles andere führt zu noch mehr Gewalt, die wohl nicht mehr zu kontrollieren sein wird.
Von Stefan Kaltenbrunner
Theresa May
Die blutige Attacke erinnere daran, dass "Terrorismus, Extremismus und Hass viele Formen annehmen", sagte May am Montag in der Downing Street.
"Unsere Entschlossenheit, sie zu bekämpfen, muss dieselbe sein, wer auch immer verantwortlich ist." Bei dem Vorfall in der Nacht handle es sich um einen Angriff auf Muslime in der Nähe ihres Gotteshauses, sagte May vor Journalisten. Das Land werde sich durch die Tat aber nicht spalten lassen, sagte die Regierungschefin nach einer Krisensitzung in Westminster am Montag. "Hass und Böses dieser Art werden niemals Erfolg haben", so May. Sie verurteilte Extremismus jeder Art.
Jeremy Corbyn
Großbritanniens Oppositionsführer zeigte sich geschockt von "dieser entsetzlichen und grausamen Attacke (...)", wie er am Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Er sprach den Familien und Freunden des getöteten Mannes sein Beiland aus und kündigte an in dem betroffenen Gotteshaus zu beten.
EU-Kommission
Die EU-Kommission verurteilte die Attacke auf Menschen in der Nähe einer Moschee in London scharf. "Jenen, die unsere Gemeinschaften spalten wollen, müssen wir uns mit Einigkeit entgegenstellen", erklärte Kommissar Dimitris Avramopoulos am Montag über Twitter. Auch der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans verurteilte die Attacke auf eine Moschee in London. "Nichts rechtfertigt das Töten von Unschuldigen"
David Cameron
Großbritanniens Ex-Premierminister Cameron hat die Attacke von London verurteilt und zu Geschlossenheit aufgerufen. Von einer "entsetzlichen terroristischen Attacke auf friedlich betende Muslime", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. "Wir alle müssen gegen solches Böse zusammenstehen." Ähnlich äußerte sich auch der Bürgermeister von Manchester, Andy Burnham: "Gedanken sind bei jedem Betroffenen der Finsbury Park-Attacke", schrieb er auf Twitter. "Wir werden weiter zusammenstehen gegen Extremisten, die einen Teufelskreis der Gewalt wollen."
19. Juni, London:
Ein 48-jähriger Mann fährt mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge in der Nähe einer Moschee im Stadtteil Finsbury Park. Die Polizei spricht von zehn Verletzten und womöglich einem Toten. Ein Zeuge berichtet, der Fahrer habe gerufen, er wolle "alle Muslime töten". Premierministerin Theresa May erklärt, der Vorfall werde als "möglicher Terroranschlag" behandelt. Auch Londons Bürgermeister Sadiq Khan spricht von einem "schrecklichen Terroranschlag".
3. Juni, London:
Drei Attentäter fahren mit einem Lieferwagen auf der London Bridge in eine Menschenmenge. Anschließend stechen sie mit Messern auf Menschen im nahegelegenen Ausgehviertel rund um den Borough Market ein. Sie töten sieben Menschen und verletzen dutzende weitere, bevor die Polizei die drei Männer erschießt.
22. Mai, Manchester:
Ein Selbstmordattentäter tötet bei einem Konzert von US-Sängerin Ariana Grande 22 Menschen, darunter viele Kinder. Mehr als hundert Menschen werden verletzt. Es ist der schwerste Anschlag in Großbritannien, seit im Juli 2005 52 Menschen in London bei einer Attentatsserie in U-Bahnen und Bussen getötet wurden.
22. März, London:
Ein Attentäter rast mit seinem Auto auf der Westminster Bridge in Fußgänger, bevor er auf das Gelände des britischen Parlaments stürmt und einen Polizisten mit einem Messer ersticht. Insgesamt tötet der 52-Jährige, der zum Islam konvertiert war, fünf Menschen und verletzt dutzende weitere, bevor die Polizei ihn erschießt. Die IS-Miliz reklamiert die Tat für sich.
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