Misstrauensantrag abgelehnt! Wie Von der Leyen den EU-Aufstand vereitelte

So schnell die Aufregung hochgekocht war, so schnell war sie auch wieder vorbei. Der Misstrauensantrag gegen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihr gesamtes Team an EU-Kommissaren ist mit einer klaren Mehrheit abgeschmettert worden: 175 Stimmen dafür, aber 360 Stimmen dagegen. 553 von 721 Parlamentariern stimmten ab. Von den österreichischen Europaabgeordneten erklärten im Vorfeld nur die sechs Mandatare der FPÖ, den Misstrauensantrag unterstützen zu wollen.
Der Antrag, den eine Gruppe rechtspopulistischer und rechtsextremer EU-Abgeordneter eingebracht hatte, kam nicht einmal in die Nähe der notwendigen Zweidrittelmehrheit. Von der Leyen war sich ihrer Sache so sicher, dass sie bei der Abstimmung im EU-Parlament in Straßburg Donnerstag-Mittag nicht einmal dabei war. Sie war bereits in Rom bei der Aufbaukonferenz für die Ukraine.
Unterstützung der Sozialdemokraten gesichert
Doch die wahre Bedrohung für die Kommissionschefin war ohnehin nicht die Abwahl ihres Teams, die von vorne herein als eher unwahrscheinlich galt. Vielmehr ging es um die immer heftiger brodelnden Konflikte zwischen den großen Fraktionen im EU-Parlament, vor allen um die tiefen politischen Gräben zwischen den Parteien, die noch vor zwei Jahren als die pro-europäische politische Mitte galten: Europäische Volkspartei EVP und ihre Partner Sozialdemokraten, Grüne und Liberale. Die letzteren hatten offen gedroht, der Abstimmung fernzubleiben, oder sich der Stimme zu enthalten.
Damit hätte Von der Leyen zwar keine Niederlage, aber eine Blamage erlebt. Doch mit politischen Zugeständnissen war es der Kommissionschefin gelungen, vor allem die Sozialdemokraten, zweitstärkste Fraktion im EU-Parlament auf ihre Seite zu ziehen. Auch Grüne und Liberale stärkten ihr den Rücken, nachdem ihnen versichert worden war, dass Von der Leyen bei großen politischen Vorhaben auf Linie bleiben werde, etwa dem Kampf gegen den Klimawandel und dem "Green Deal".
Lieber mit Rechtsaußen als mit der linken Mitte?
Diese Zusammenarbeit in der politischen Mitte war in den ersten vier Jahren Von der Leyens quasi ein verlässlicher Lieferant politischer Mehrheiten für große Projekte, hat sich das seit den EU-Wahlen im Vorjahr klar geändert. Seither sind im EU-Parlament auch Mehrheiten mit den massiv gestärkten rechtspopulistischen und rechtextremen Fraktionen möglich: Also der EKR, in der etwa die polnische Rechtspartei PiS sitzt und die PFE ("Patrioten für Europa") , zu der unter anderem die FPÖ gehört.
Milliarden für Soziales
Mehrmals hat sich die EVP inzwischen eine Mehrheit für ihre politischen Ziele bei diesen Rechtsparteien beschafft. Für die EVP ein absolut legitimes demokratisches Vorgehen. Als größte Fraktion im EU-Parlament habe man eben große politische Vorhaben und wolle und werde die durchsetzen, wer auch immer sie unterstütze. Für die Sozialdemokraten war das ein politischer Vertrauensbruch und vor allem eine Abkehr von der politischen Linie, die Von der Leyen zu halten versprochen hatte. Bei hektischen Gesprächen hinter den Kulissen in Straßburg aber gelang es Von der Leyen und der EVP die Sozialdemokraten zumindest für diese Misstrauens-Abstimmung auf ihre Seite zu bringen.
Wichtigstes politisches Zugeständnis: Mehr als Hundert Milliarden für Soziales sind auch für das nächste mehrjährige EU-Budget gesichert. Das gilt zwar erst ab 2027 wird aber schon in diesen Wochen heftig verhandelt. Den Grünen wiederum bleibt nur das Prinzip Hoffnung und die vagen Versprechen von Seiten der Kommissionschefin, dass man dem Kampf gegen den Klimawandel weiterhin treu bleiben werde. Ob das mehr als schöne Worte sind, müssen Von der Leyen und die EVP im EU-Parlament aber erst beweisen. Viele Grüne jedenfalls gehen sehr skeptisch in den politischen Herbst in Europa.
Gemischte Reaktionen bei EU-Abgeordneten
Reinhold Lopatka, ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, sagte nach der Abstimmung: "Dieser Misstrauensantrag war ein vollkommen unverantwortliches parteipolitisches Manöver. Vertreter von Rechtsaußenparteien, die selbst mit Finanzskandalen eingedeckt sind, wollen die EU-Kommission diffamieren und kriminalisieren. Damit wird die EU nur geschwächt und gespalten." Die deutsche CDU-Politikerin von der Leyen stammt aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der euch die ÖVP gehört.
"Der Misstrauensantrag gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist wie erwartet gescheitert - eine historische Chance wurde damit vertan", erklärte der freiheitliche EU-Abgeordnete Gerald Hauser nach der Abstimmung. "Wir wollten politische Verantwortung für gravierende Fehlentwicklungen in der EU einfordern - doch das System schützt sich selbst!" Die Unterstützung des Antrags sei von den Systemparteien - EVP, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen - abgeblockt worden.
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