EU-Rekordbudget und radikale Reformen: Warum der Streit ums Geld erst beginnt

Proposal for the EU's next seven-year budget in Brussels
Mit dem ersten Vorschlag der EU-Kommission beginnt die Debatte ums neue EU-Budget. Das liegt in Rekordhöhe und bringt radikale Reformen. Harte Auseinandersetzungen sind programmiert.

Eine Stunde, dann zwei - und dann noch eine; mit einem halben Tag Verzögerung erschien EU-Budgetkommissar Piotr Serafin im EU-Parlament, um das zu präsentieren, worüber sich die EU-Hauptstadt schon seit Tagen die Köpfe heißredet: Den Entwurf für das längerfristige Budget der EU. Gelten soll es ab 2028 für sieben Jahre, doch die vergangenen Tage in Brüssel haben eines deutlich gemacht: Die Zeit bis dahin wird Europa mit Tauziehen ums Geld verbringen.

Heftig ging es schon bis jetzt zu, innerhalb der EU-Kommission, die ja für diesen Entwurf verantwortlich ist. Mehrere Nachtschichten mit Unmengen an Pizza und zuckerfreiem Cola waren notwendig, um allein einmal die 27 EU-Kommissare auf Linie zu bringen. Jeder Einzelne dieser 27 kämpfte dafür, die Milliarden in seinem Budget zu sichern.

Doch das wird schwierig, schließlich ist die Linie, auf die Kommissionschefin Ursula von der Leyen zuletzt die gesamte EU bringen will, ziemlich radikal.

Komplett umgekrempelt

Die bisherigen mehrjährigen EU-Budgets – im EU-Sprech MFF, oder längerfristiger Finanzrahmen genannt – ruhten auf einigen sehr massiven finanziellen Säulen. Da gab es das Budget für Landwirtschaft, das allein 30 Prozent des EU-Budgets ausmachte; dann jenes für Regionalförderung, also für Projekte vor allem in den wirtschaftlich rückständigen Regionen der EU. Zusammen verschlangen die beiden bereits siebzig Prozent des EU-Haushalts. Mit allen anderen Fixkosten, inklusive der Verwaltung, waren mehr als 90 Prozent des EU-Budgets fix vergeben.

Das soll in Zukunft ganz anders werden. Die EU will den einzelnen Ländern viel mehr Verantwortung überlassen, wofür sie Geld ausgeben. Sie will „flexibler“ werden, wie Serafin erklärte: „Die nächsten Krisen werden nicht auf sich warten lassen – Europa muss dafür bereit sein.“

"Wir brauchen Spielraum, wenn Unerwartetes passiert. Die nächsten Krisen lassen nicht auf sich warten.“

von Piotr Serafin

EU-Budgetkommissar

Nur noch drei Töpfe

Daher gibt es in Zukunft nur noch drei große Geldtöpfe in der EU, und die Mittel darin lassen sich schnell und kurzfristig umschichten.

Der erste und größte ist der für „Nationale und regionale Partnerschaften“, da sollen die Agrar- und Regionalförderungen hinein, aber auch Geld für Soziales. Wie viel, wofür; das sollen die einzelnen Länder entscheiden. Bei Europas Bauernvertretern sorgt das für Unruhe. Wie viel bekommen die Bauern tatsächlich aus diesem Topf? Mindestens 300 Milliarden Euro, verspricht der Budgetkommissar: „Wir vergessen unsere Bauern und Fischer nicht.“

Der zweite Budgettopf ist ebenfalls mit einem wilden Gemisch gefüllt. Da sind die Förderungen für Industrie und Innovation drinnen, aber auch die Ausgaben für Verteidigung und Forschung. Klar ist, dass die Verteidigung, also die Ausgaben für Militär und für militärische Infrastruktur, in diesem Topf viel Platz bekommen werden. Großzügig sollen aber auch innovative Industrieprojekte bedient werden. Die Mittel für Forschung und Bildung – so auch die Erasmus-Programme für Fortbildung im Ausland – sollen erhalten bleiben.

Der dritte Topf, wortgewaltig „globales Europa“ genannt, umfasst alle Ausgaben von der Entwicklungshilfe bis zur Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten in Afrika, um die illegale Migration in Griff zu kriegen.

Wie sicher die einzelnen Budgets in diesen bunt gefüllten Töpfen sind, wird wohl erst in den folgenden Detailverhandlungen mit dem EU-Parlament und den EU-Staaten fixiert werden.

Budget in Rekordhöhe

Auf eine entscheidende Zahl aber hat sich die EU-Kommission schon festgelegt: Die Gesamthöhe des nächsten EU-Budgets. Die soll zwei Billionen Euro erreichen – ein Rekord, 700 Milliarden mehr als bisher. Da die Mitgliedsländer für entsprechende Erhöhungen kaum zu gewinnen sein werden, will die EU verstärkt eigene Einnahmequellen anzapfen.

Steuer auf Tabak und Müll

Fix geplant sind eine Steuer auf Tabakprodukte und auf Elektroschrott. Schon jetzt signalisieren viele EU-Staaten Widerstand dagegen, diese Einnahmen Brüssel zu überlassen. Im EU-Parlament dagegen will man gegen den ersten Topf, in dem die einzelnen Staaten heftig mitrühren dürfen, Front machen. Der, so meint Budgetverhandler Siegfried Muresan, „würde das Budget und die Einrichtungen der EU schwächen.

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