Das Billionen-Budget der EU: Große Worte, nackte Zahlen

Proposal for the EU's next seven-year budget in Brussels
Wenn die EU ihre Versprechen bei Verteidigung und Wirtschaftsförderung einlösen will, wird sie sparen müssen – auch, wo es wehtut.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Wer in diesen Tagen das Schauspiel um das nächste langjährige EU-Budget in Brüssel mitverfolgt, fühlt sich oft an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ erinnert. Da werden ja diesem Kaiser von einem Betrüger täglich neue fiktive Roben angelegt, bis ein kleines Mädchen schließlich ausspricht, dass er eigentlich nackt durch die Straßen getragen wird.

Jetzt will man der EU-Kommission und ihrem meist erstrangigen Personal keineswegs Betrügereien unterstellen, aber die wortmächtig formulierten Hüllen, in die der Plan für dieses Budget gepackt wird, haben schon etwas von den Roben, in die der Kaiser gepackt wird. Denn ob man nun einen gigantischen Wettbewerbsfonds schneidert, in den sämtliche Ausgaben von Industrie bis Landwirtschaft gepackt werden, oder einen anderen namens „Europa und die Welt“, in dem alles von Entwicklungshilfe bis Schutz vor illegaler Migration steckt: Am Ende wird in all dem nicht viel mehr drinstecken als im bisherigen EU-Budget. Die zusätzlichen Einnahmen für die EU-Kasse, mit denen Brüssel gerade – argwöhnisch beobachtet von den EU-Staaten – liebäugelt, werden nämlich zu großen Teilen vom Schuldendienst aufgefressen werden, den die EU von nun an zu leisten hat.

Schließlich hat man während der Pandemie zum ersten Mal in der Geschichte der EU großzügig gemeinsame Schulden aufgenommen, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Dabei wurde übrigens ein Prinzip angewandt, das man in Brüssel jetzt beim neuen Budget ebenfalls anwenden möchte. Statt wie bisher konkrete Projekte, etwa bei der Förderung ärmerer Regionen, in Brüssel einzureichen, sollen sich die EU-Staaten in Zukunft Ziele stecken. Sind die einmal erreicht, wird mit Brüssel abgerechnet. Dass diese Ziele oft nebulös formuliert waren und die Ergebnisse entsprechend zweifelhaft, hat der Europäische Rechnungshof mehrfach kritisiert.

Dass Brüssel dieses Prinzip fortsetzen will, sollte im EU-Parlament, aber auch in den Hauptstädten die Beobachter veranlassen, ihren Blick zu schärfen. Wo soll dieses Geld hinfließen, wer entscheidet darüber und wer kontrolliert rechtzeitig, ob es auch wirklich zielgerichtet eingesetzt wird? Die bisherige Struktur der EU-Förderungen galt zwar nicht zu Unrecht als oft unflexibel und bürokratisch, hatte aber den Vorteil, dass man sie auf den Cent genau überprüfen konnte. Betrug und Misswirtschaft gab es trotzdem genug. Bei den elegant formulierten Zielen wird es wohl noch schwieriger werden: Die Lehre zumindest sollten wir aus den Erfahrungen mit dem Corona-Fonds ziehen. Denn Brüssel hat wahrlich kein Extra-Budget für schöne neue Kleider, und deshalb sollte man sehr genau schauen, ob nicht auch dieser Kaiser plötzlich nackt ist.

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