EU-Skepsis und Ärger über Berlin

Gemeinsame Linie - gegen Brüssel: Die Premierminister von Ungarn, Tschechien, Polen und Slowakei
Osteuropäer gegen Quoten – aus unterschiedlichen Gründen.

In Prag kamen am Freitag die Außenminister der Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) zusammen. Bereits in der Vorwoche hatten ihre Regierungschefs beraten – über die Flüchtlingskrise. Und so einig wie in bei diesem Thema waren sie sich kaum je zuvor: Der Plan zur Aufteilung von Flüchtlingen nach Quote stieß auf klare Ablehnung. Zu einer ungestörten Beratung Gleichgesinnter aber sollte das Treffen am Freitag nicht werden. Anwesend war auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Mission Steinmeiers: Nach Zustimmung des EU-Parlaments zu einer Aufteilung nach Quote ausgehend von 160.000 Menschen sollten die vier Staaten zum Einlenken bewegt werden.

"Moralische Verantwortung"

Hinter der Ablehnung der Visegrad-Staaten aber stehen ganz unterschiedliche Beweggründe, wie Piotr Kaczynski vom European Insitute of Public Administration sagt: Ungarn mache Deutschland für die Flüchtlingskrise verantwortlich und sehe sich als Manager der Krise; in Tschechien und der Slowakei, so sagt er, gehe es in einem allgemein sehr euroskeptischen Umfeld vor allem darum, eine Idee Brüssels abzulehnen und erst in zweiter Linie gegen die Quote an sich; und in Polen stehen Wahlen bevor. Die Flüchtlingskrise fordert die liberal-konservative Regierung dabei massiv heraus. Eine Debatte über die "moralische Verantwortung" nennt es Kaczynski zwischen "liberalen und rückwärts gewandten Kräften".

In Polen fällt dabei oft ein Schlagwort, das in der Geschichte des Landes breiten Platz einnimmt: Solidarität. "Niemand muss uns beibringen, was Solidarität ist", hatte Polens Premierministerin Ewa Kopacz gesagt. Die aktuelle Krise nannte sie einen "Test unserer Anständigkeit".

Unter Druck

Die Regierung aber steht von allen Seiten unter Druck: Künstler, Bürgerrechtler und Journalisten machen massiv Stimmung für eine liberale Handhabe der Krise. Ebenso Teile der katholischen Kirche. Friedensnobelpreisträger Lech Walesa sagte, er sei bereit, selbst Flüchtlinge aufzunehmen – müsse das aber noch mit seiner Frau besprechen. Zugleich macht das erzkonservative, nationalistische Lager mobil – erfolgreich, wie Umfragen zeigen.

Kaczynski nennt die Quoten-Regelung "traditionell, bürokratisch" und viel zu "statisch". Die Kommission, so sagt er, handle dabei gegen die Mitgliedsstaaten. Die EU funktioniere nicht nach dem Muster, "wenn du unsere Lösung annimmt, bist du der Supereuropäer, wenn nicht, dann nicht." Als möglichen Ausweg nennt er eine zentralisierte Behandlung von Asylanträgen und eine Verteilung anhand konkreter Zahlen und nicht auf Quoten-Basis. Das sei Polen zu verkaufen. Denn letztlich müssten die Leute untergebracht werden. Und dann stelle sich freilich die Frage, ob Flüchtlinge eine Quoten-Verteilung annähmen – was wiederum zur Herausforderung für das Schengen-System werde.

Polen führt dabei gerne ins Rennen, sich bereits um ukrainische Flüchtlinge zu kümmern und im Falle einer Eskalation in der Ukraine gerüstet sein zu müssen. Dabei ist es ist gerade das Thema Ukraine, das Polen in der Flüchtlingskrise auf EU-Linie bringen könnte. Denn im russisch-ukrainischen Konflikt pocht Polen vehement auf eine starke EU. Sie jetzt zu schwächen würde also keinen Sinn machen.

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