Wenn Klopapier zum Luxus wird
Toilettenpapier, Deos, Mehl, Medikamente, sogar Särge und Brustimplantate – nahezu alles ist in Venezuela knapp. In den Supermärkten des sozialistischen südamerikanischen Staates sind Güter des täglichen Bedarfs streng rationiert – Eltern eines Babys etwa dürfen seit Neuestem nur 40 Windeln pro Woche kaufen. Dementsprechend lang sind die Schlangen, wenn Geschäfte Ware erhalten. Und dementsprechend schnell ist die ausverkauft.
Grund für den Mangel ist gerade eines der ursprünglichen Erfolgsmodelle der Regierung des autoritären Präsidenten Maduro und seines ebenso autoritären Vorgängers Chavez: die vor allem durch Erdölexport finanzierte Subventionierung von Lebensmitteln und anderen Gütern, die dazu dienen sollte, der armen Bevölkerung unter die Arme zu greifen und sich Wählerstimmen zu sichern.
Lukrativer als Drogen
Gerade diese Subventionierung führt dazu, dass Waren aus Venezuela für den Schwarzmarkt im In- und Ausland interessant sind. In Kolumbien kosten manche Lebensmittel das Vierfache. Der Schmuggel boomt. Schätzungen zufolge landen 40 Prozent der gestützten Produkte in Kolumbien. Begehrt ist auch Benzin, das in Venezuela nur wenige Cent pro Liter kostet. Jeden Tag sollen bis zu 100.000 Fass (je 159 Liter) ins Nachbarland geschmuggelt werden, was lukrativer als Drogenhandel ist. Bezahlt wird oft in US-Dollar – und die lassen sich am Schwarzmarkt in Venezuela für das Zehnfache des offiziellen Kurses wechseln.
Verschärft wird das Problem laut Opposition durch Korruption und schlechte Wirtschaftspolitik. Venezuelas Industrie liegt am Boden, vieles muss importiert werden. Die Öleinnahmen sind wegen des Preisverfalls am Ölmarkt drastisch gesunken, die Staatsschulden steigen, die Inflation beträgt mehr als 60 Prozent. Reiche bunkern ihr Geld im Ausland.
Alle Versuche, den alltäglichen Mangel in den Griff zu bekommen, sind bisher gescheitert. Im Sommer wurden die Grenze zu Kolumbien zwischen 22 und 5 Uhr Früh gesperrt und Exportverbote für Lebensmittel verhängt. In Supermärkten müssen die Kunden beim Zahlen ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Das soll verhindern, dass sie über ihren persönlichen Bedarf hinaus Güter hamstern und teuer weiterverkaufen.
Razzien auf Märkten
Jetzt konzentriert sich die Regierung auf die vielen illegalen Märkte, in denen subventionierte Waren überteuert verkauft werden und bei denen bisher beide Augen zugedrückt wurden. Es ist verboten, Kaffee, Shampoo und 50 andere Gebrauchsgüter auf der Straße zu verkaufen. Die Nationalgarde patrouilliert, Händler verstecken "verbotene" Ware unter "erlaubter" wie Bananen. "Ich fühle mich wie eine Drogendealerin", sagt eine Händlerin, die ihre Familie nur dank des Schwarzmarktes ernähren kann.
Präsident Maduro, der immer mehr Rückhalt unter seinen Stammwählern, den Armen, verliert, bemüht sich, die Schuld an der Misere von sich zu weisen. Diese würden rechtsgerichtete Unternehmer und politische Gegner tragen, die die Regierung durch Massenkäufe, Wucher und Schmuggel destabilisieren wollten. Viele Menschen wollen diese Geschichte von den "Parasiten, die den Leuten das Blut aussaugen", aber nicht mehr glauben.
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