Wie eine gekaperte Seekuh zu einem politischen Symbol wurde

Wie eine gekaperte Seekuh zu einem politischen Symbol wurde
Vor knapp einem Jahr wurde das aufgepäppelte Seekuh-Männchen Tico im Atlantik ausgewildert. Nun steht es im Mittelpunkt einer politischen Auseinandersetzung zwischen Venezuela und Brasilien.

Von Lara Güven

Dehydriert, röchelnd und mit baumelnden Nabelschnüren, so wurde das Seekuh-Geschwisterpaar Tico und Teco 2014 an der brasilianischen Küste aufgefunden. Die staatlich geförderte Tierschutzorganisation Aquasis nahm die Brüder auf, pflegte sie und bereitete sie auf die eventuelle Auswilderung vor.

Zwar kam Teco der Tod zuvor, doch für Tico bestand Hoffnung. Am 6. Juli 2022 wurde das 2,68 Meter lange Männchen, mit GPS-Tracker ausgestattet, im Atlantik ausgesetzt. Die bevorstehende Reise sollte es zu einem politischen Symbol machen.

Innerhalb von 61 Tagen reiste Tico 5.270 Kilometer, bemerkenswert für ein Tier, das täglich im Schnitt sieben Kilometer schwimmt. Am 5. September 2022 wurde Tico vor der Karibikinsel La Blanquilla von einer Einsatzgruppe venezolanischer Marinesoldaten gefunden. Die Luftwaffe transportierte die inzwischen abgemagerte Seekuh ins Landesinnere. Dort wurde sie in Barquisimeto untergebracht. Dort lebt das Süßwassertier nun in einem Pool innerhalb eines Zoos, was kaum Aquasis Vorstellungen entspricht. Die Organisation fordert Ticos Rückkehr, damit er ein weiteres Mal ausgewildert werden kann.

Maduro stellt sich quer

Doch Venezuelas Ministerium für Ökosozialismus weigert sich vehement. Vor allem handelt es sich dabei um einen politischen Spielzug des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro. Unter seiner sozialistischen Herrschaft diktatorischer Prägung erreichte Venezuela einen wirtschaftlichen Tiefpunkt, der sechs Millionen Einwohner in die Flucht trieb. Viele Zootiere starben an Hunger und einem Mangel an ärztlicher Pflege.

Nach seiner Wiederwahl im Jahr 2019 wechselte Maduro auf einen kapitalistischeren Kurs. 2021 wuchs die Wirtschaft zum ersten Mal wieder, und öffentliche Einnahmen stiegen. Der Präsident möchte diesen Erfolg nun in diversen Anlagen zur Schau stellen und setzt auf Ticos erfolgreiche Gewichtszunahme, von der er regelmäßig auf Twitter berichtet. Die Seekuh soll als Symbol der neuen wirtschaftlichen Wende dienen.

Maduro stellt sich also quer, Brasiliens Regierung fordert dagegen die Freilassung Ticos. Für Aquasis ist es auch ein Wettlauf mit der Zeit: Der knapp zehnjährige Tico kann laut brasilianischem Gesetz höchstens bis zu seinem zwölften Lebensjahr ausgewildert werden. Ende Mai kam es deshalb zu einem Austausch zwischen den Umweltministern beider Länder. Weitere Gespräche sind geplant, und man erwartet eine baldige Lösung.

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