Nach Zoll-Deal zwischen EU und USA: Egoismus auf Europäisch

Man kann sich an Donald Trump und seiner Politik endlos abarbeiten, sich beklagen, wie brutal, kurzsichtig und rücksichtslos er agiert. Man kann aber auch die aktuellen Verhandlungen mit den USA als zwar unsanfte, aber deutliche Erinnerung daran verstehen, nach welchen Regeln derzeit auf der politischen Weltbühne gespielt wird: nach einer einzigen, dem Recht des Stärkeren.
Und das gilt nicht nur für die USA, sondern für alle Hauptrollen in diesem Drama: China, Russland – oder eben Europa, nur dass man dort immer noch irritiert in vermeintlichen Spielregeln blättert, auch wenn die niemanden mehr kümmern.
Trump hat in den Verhandlungen mit der EU ausgenützt, dass er in entscheidenden Fragen am längeren Ast sitzt. Die US-Wirtschaft ist autarker als die europäische, also weniger von Exporten abhängig. Sie hat in einigen Sparten ihre globale Führungsposition behauptet, etwa im Digitalbereich oder in der Futtermittelproduktion, und sich in anderen auf den Heimmarkt zurückgezogen.
Europa dagegen ist drauf und dran, seine globalen Stärken – etwa die Automobilproduktion – durch das Fehlen von klaren Zielen und Planung zu verspielen. Anderswo, etwa in der Solarindustrie, sind die ohnehin längst verloren.
Wenige Tage vor dem Gipfel mit Trump hat sich die EU-Spitze in China ebenfalls kalte Füße geholt. Denn auch da saß man einer Weltmacht gegenüber, die genau wusste, was sie wollte: einen auch in Zukunft offenen europäischen Markt für die eigene Überproduktion. Also lächelte man, ließ die Europäer reden und den Gipfel ungenützt verstreichen.
Europa versucht, in wirtschaftlichen, aber auch in militärischen Fragen auf einen Nenner zu kommen. Die aktuelle Weltpolitik zeigt uns, wie weit der Weg dorthin noch ist. Doch eine geschlossene Haltung in diesen Fragen ist kein Brüsseler Fiebertraum von irgendeinem Zentralstaat Europa, vor dem Nationalisten so gerne warnen, sondern eine weltpolitische Notwendigkeit.
Wir stehen Mitbewerbern gegenüber, die klar definiert haben, welche Interessen sie verfolgen und mit welchen Mitteln. Die EU verwendet viel Zeit und Mühe darauf, das Leben der Europäer in jedem Detail in einheitliche Regeln zu zwängen. Viel dringender aber wäre es, sich in entscheidenden strategischen Fragen auf gemeinsame Interessen zu einigen, denn nur die können wir auf der globalen Bühne mit Nachdruck vertreten.
Europa ist auch heute ein wirtschaftlicher Riese, doch solange man in Paris oder Berlin meint, dass man doch besser sein eigenes Süppchen kocht, kann er sich nicht in Bewegung setzen. Andere marschieren längst – und sie werden sich von uns nur bremsen lassen, wenn wir ihnen auf die Zehen steigen, mit unserem ganzen gemeinsamen Gewicht.
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