Trump lässt massenhaft abschieben - und bleibt doch unter Plan

Protest vor einem Abschiebezentrum in Florida
Der US-Präsident will „die Schlimmsten der Schlimmsten“ abschieben – doch viele Festnahmen der Migrationsbehörden treffen Unbescholtene.

Tom Homan, der gerne grobschlächtig auftretende PR-Chef Donald Trumps für die „größte Abschiebungswelle in der Geschichte der Vereinigten Staaten”, hat für die angeblich wichtigste Zielgruppe der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) eine griffige Formulierung geprägt: „Die Schlimmsten der Schlimmsten” würden bevorzugt inhaftiert und schnellstens außer Landes gebracht, sagt Homan bei so ziemlich jedem Medien-Auftritt. 

Heißt: Mörder, Sexualstraftäter, Gewalttäter und generell wegen schwerer Straftaten bereits verurteilte illegale Einwanderer, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten, stünden ganz oben auf der Liste.

Die Realität sieht anders aus. Nach bald sechs Monaten im Amt belegen interne ICE-Statistiken, dass die Trump-Regierung sich längst nicht mehr auf die Verhaftung von verurteilten Gewaltverbrechern konzentriert, sondern jedwede Person aufgreift, interniert und nach Möglichkeit unverzüglich deportiert, die keinen legalen Aufenthaltsstatus nachweisen kann. 

Neue Zahlen, an die der Sender NBC gekommen ist, belegen das. Danach wurden vom 1. Oktober 2024 bis zum 31. Mai 2025 rund 750 wegen Mordes verurteilte Personen und 1.700 wegen sexueller Übergriffe verurteilte illegal Einwanderer festgenommen. Das ist nur ein Bruchteil - 6 Prozent bzw. 11 Prozent - derer, die laut ICE-Aktenlage aus Herbst 2024 als Mörder (13.000) oder Sexualstraftäter (15.800 ) bekanntermaßen unerlaubt im Land waren.

Ein Zerrbild von den illegalen Migranten

Es ist tendenziell schwieriger, in dieser Klientel Straftäter dingfest zu machen”, sagt dagegen ein mit ICE-Interna vertrauter Anwalt in Washington. Der Jurist verweist auf die Kehrseite der Medaille. Danach entpuppe sich Trumps Erzählung, dass Amerika von Millionen illegalen Schwerbrechern befreit werden müsse, als „völliges Zerrbild”.

US President Trump hosts 'one, big, beautiful event' in Washington, DC

US-Präsident Donald Trump und der Minister des Heimatschutzministeriums, Tom Homan

ICE-Statistiken belegten, dass von rund 185.000 festgenommenen und internierten Illegalen (Oktober 2024 bis Ende Mai 2025) nur 65.000 vorher strafrechtlich in Erscheinung getreten waren - meist durch Verkehrsdelikte oder weil sie irgendwann unerlaubt in die USA eingereist waren. Dem entspricht die Bilanz bei den derzeit knapp 60.000 in überfüllten Auffanglagern Inhaftierten - über 60 % sind weder wegen einer Straftat verurteilt noch jemals angeklagt worden. „Hier werden Unschuldige, die oft seit Jahrzehnten in den USA leben, einer Arbeit nachgehen, Steuern zahlen, ihre Kinder zur Schule schicken, gnadenlos kriminalisiert”, sagen Experten der Menschenrechtsorganisation ACLU.

Sie erinnern an die aggressiven Razzien von ICE-Beamten auf Parkplätzen der Baumarkt-Kette „Home Depot”, wo sich Illegale traditionell als Tagelöhner verdingen, in Kalifornien. Bei solchen Einsätzen im Großraum Los Angeles gab es vor wenigen Wochen massive öffentliche Proteste und Ausschreitungen, die Präsident Trump dazu brachten, gegen den Willen des Bundesstaates Kalifornien die Nationalgarde einzusetzen.

Trumps Ziel: 3.000 Inhaftierungen pro Tag

Nichtsdestotrotz erhöht die Regierung weiter den Druck. Von anfangs rund 660 Festnahmen von illegalen Einwanderern alle 24 Stunden in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft ist die Zahl derer, die Trumps Behörden oft in rüder Form von der Straße holen oder direkt am Arbeitsplatz, bei Gericht, in Fabriken oder bei Sportveranstaltungen abfangen im Juni auf etwa 1.200 im Schnitt gestiegen. Weit entfernt von der 3000er Zielmarke, die Trumps oberster Abschiebungs-Funktionär Stephen Miller angeordnet hatte - pro Tag.

Nicht nur bei der demokratischen Opposition wächst der Argwohn. So verlangt der republikanische Abgeordnete Tony Gonzales aus Texas von der ICE-Führung eine genaue Aufschlüsselung der Zahl der festgenommenen Mörder, Vergewaltiger und anderen Kriminellen. Gemeinsam mit fünf Kollegen schreibt er: „Wir sind zwar auch der Meinung, dass wir ein Rechtsstaat sind und dass alle, die illegal unsere Grenzen überschritten haben, diesen Gesetzen unterliegen, aber bei der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze müssen Prioritäten gesetzt werden. Jede Minute, die wir damit verbringen, eine Person mit einer weißen Weste zu verfolgen, ist eine Minute, die wir nicht für die Festnahme von Terroristen oder Kartellmitgliedern aufwenden können.”

In Regierungskreisen herrscht hohe Unzufriedenheit mit dem Stand der Abschiebungs-Anstrengungen. Präsident Trump spricht fortlaufend von über 20 Millionen Illegalen, die allesamt deportiert gehörten. Halboffizielle Zahlen gehen von rund 11 Millionen Menschen aus, die ohne gültige Papiere in den USA leben, das Gros davon unbescholtene Bürger. 

In den ersten 100 Tagen von Trumps zweiter Amtszeit hat ICE aber nur 65.000 Personen abgeschoben.

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