Am Samstag und Sonntag setzten sich die Proteste fort. Trump konstruiert daraus einen „gewaltsamen Aufstand” von „Randalierern und Plünderern”, der niedergeschlagen werden müsse. Die Polizei in Los Angeles widerspricht, nennt die Proteste nur vereinzelt gewalttätig und sieht sich eigenständig in der Lage, die Situation zu beruhigen.
Was Trump in Kalifornien tut, hat es seit 1965 nicht mehr gegeben. Damals schickte Präsident Lyndon B. Johnson nach eigenem Gutdünken Soldaten nach Alabama, um Bürgerrechts-Demonstrationen zu schützen. Die Nationalgarden (rund 330.000 Kräfte) unterstehen den jeweiligen Gouverneuren der Bundesstaaten. Sie sind es, die in Washington um Hilfe bitten, wenn ihnen die Probleme über den Kopf wachsen.
So war es etwa in Kalifornien 1992, als die Misshandlung des schwarzen Lkw-Fahrers Rodney King durch die Polizei zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen führte. Präsident George H.W. Bush setzt auf Antrag des damaligen Gouverneurs, Pete Wilson, die Nationalgarde in Gang.
Als vor fünf Jahren die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten in Minneapolis landesweit zu teils schweren Ausschreitungen führte, liebäugelte Trump mit dem Marschbefehl, verzichtete aber - mit Ausnahme des Hauptstadtbezirks District of Columbia - am Ende darauf; auch weil seine Berater auf die Gefahren hinwiesen.
Die von ihm unterzeichnete Anordnung verweist auf "10 U.S.C 12406". eine Bestimmung im “Title 10” des Gesetzes über die Streitkräfte. Sie erlaubt den Einsatz von Nationalgardisten durch den Bund, wenn „eine Rebellion oder die Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten besteht“. Trump interpretiert die Proteste gegen die Abschiebungsmethoden von ICE als „Gesetzlosigkeit” eines „gewalttätigen Mobs“, der Bundespolizisten und Einwanderungsbeamte angreife.
Am Samstag verfügte, dass Demonstranten sich nicht mehr maskieren dürfen. Etliche Verfassungsrechtler halten die Beurteilung des Weißen Hauses für absurd. Erwin Chemerinsky, Dekan der UC Berkeley School of Law, sagte der „Los Angeles Times”: „Es ist wirklich erschreckend, dass die Bundesregierung ohne Aufforderung des Gouverneurs die kalifornische Nationalgarde übernimmt, um Proteste niederzuschlagen. Damit wird das Militär im Inland eingesetzt, um Dissens zu unterbinden. Es ist sehr beängstigend, das zu sehen.“
Dass Trump seinen Hang zum harten Durchgreifen am bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Bundesstaat ausleben will, liegt in erster Linie daran, dass Kalifornien demokratisch regiert wird und nahezu flächendeckend als Zufluchts-Staat für Flüchtlinge gilt. Das heißt: Lokale Sicherheitskräfte lassen sich nicht willfährig von den Bundesbeamten der Abschiebungspolizei ICE einspannen.
Trump missfällt das außerordentlich. Er hat nicht verwunden, dass er bei der Wahl im November im Westküsten-Staat chancenlos blieb. Kalifornien hat aufgrund der Nähe zu Mexiko mit den höchsten Anteil von Migranten. Trump will den demokratischen Gouverneur Gavin Newsom (er nennt ihn herabwürdigend „Newscum”, wie „scum” gleich Abschaum), der ein potenzieller Präsidentschaftskandidat für 2028 ist, und die demokratische Bürgermeisterin Karen Bass als schwach vorführen und politisch beschädigen.
Erbost. Newsom lehnt den auf zunächt auf 60 Tage befristeten Einsatz der Nationalgarde ab. Er fürchtet eine Ausweitung der Proteste und wirft Trump bewusste Provokation vor: „Er sucht einen Vorwand, um Soldaten einzusetzen.”
Bürgermeisterin Karen Bass verurteilte die Razzien gegen die Einwanderer scharf. „Diese Taktiken säen Terror in unseren Gemeinden und stören die grundlegenden Prinzipien der Sicherheit in unserer Stadt.”
Dass Verteidigungsminister Pete Hegseth bereits die nächst höhere Eskalationsstufe ankündigt und mit dem Einsatz von Elite-Soldaten der Marines vom Stützpunkt Camp Pendleton droht, hält Newsom für „geistesgestört”. Dadurch würden aktive Streitkräfte vollends gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt - ein Tabubruch mit weitreichenden Folgen.
Hina Shamsi von der Bürgerrechts-Organisaton ACLU: „Mit dieser Maßnahme bringt die Trump-Regierung die Einwohner von Los Angeles in Gefahr, bringt die Truppen in eine rechtliche und ethische Gefahr und untergräbt rücksichtslos unser grundlegendes demokratisches Prinzip, dass das Militär keine Zivilisten überwachen darf.“
Nein. Landesweit soll zudem ein Zeichen gesetzt werden, dass die Zentralregierung keinen nachhaltigen Widerstand gegen ihre hoch umstrittene Abschiebungs-Politik duldet. Dahinter steht vor allem Versagensangst. Trump hatte bei Amtsantritt mit der beschleunigten Deportierung von über zehn Millionen Menschen gedroht, die teils seit Jahrzehnten illegal in den USA leben. Was unter Einhaltung des Rechtswegs nicht zu realisieren ist. Gerichte haben immer wieder interveniert.
Zuletzt wurde die Rückführung eines widerrechtlich nach El Salvador verbrachten Mannes angeordnet. Trumps Umfeld wird zunehmend ungeduldig und reagiert auf die Lage mit diktatorisch-planwirtschaftlichen Maßnahmen. Ein ICE-Chef wurde bereits gefeuert. Und Trumps Vize-Stabschef Stephen Miller, der rechtsextrem-nationalistische Architekt der Abschiebungs-Strategie, hat eine tägliche Quote von 3.000 Personen angeordnet, die außer Landes zu bringen sind. Das wären cirka eine Million Menschen pro Jahr. Nach Angaben von Sicherheitsexperten „völlig illusorisch.” Trump aber will mit der Brechstange die Macht der Exekutive ausweiten. Dazu inszeniert sich der Präsident als Oberbefehlshaber im Kampf gegen „Linke und Randalierer”.
Ja. Seine Abschiebungspolitik wurde seit Amtsantritt schrittweise immer brachialer. Es geht erkennbar nicht in erster Linie um verurteilte Straftäter oder Gefährder. Die oft vermummt auftretenden ICE-Agenten, die sich nicht ausweisen, darum sprechen manche Demokraten von „Gestapo-Methoden”, greifen inzwischen auf offener Straße wahllos Menschen ohne Papiere auf; darunter sind Mütter, Kinder und Jugendliche.
Sie gehen in Geschäfte, Restaurants und auch direkt zu den Gerichten, wo Betroffene pflichtgemäß zu Anhörungsterminen erscheinen, und stecken sie direkt in Abschiebehaft.
Dabei wird nicht zimperlich vorgegangen, wie Dutzende Videos belegen. Auf diesem Weg will die Trump-Regierung einschüchtern, Fakten schaffen und Richtern zuvorkommen, die den Illegalen rechtsstaatliche Überprüfung ihres Falles zugestehen.
Immer öfter wollen Amerikaner das nicht tatenlos hinnehmen. In Dutzenden Städten gab und gibt es Solidaritätsaktionen für die Opfer des Abschiebungsfurors. In San Diego wollte eine Menschenmenge verhindern, dass nach der Durchsuchung von zwei Restaurants vier Festgenommene von den ICE-Fahndern abtransportiert wurden. Es kamen Blendgranaten zum Einsatz. Als die Beamten abrückten, rief ihnen die Menge „Schande” und „Nazis” hinterher.
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